Das Leben als Sonntagsmenschen Es ist immer wieder gut sich daran zu erinnern: Der Sonntag ist der erste Tag der Woche. Unsere Woche beginnt nicht mit dem Montag, einem Arbeitstag, sondern mit dem Sonntag. Jeden Sonntag, seitdem es Christinnen und Christen auf der Erde gibt, feiern wir die Auferstehung, denn Jesus ist am ersten Tag der Woche auferstanden von den Toten. Deshalb feierten die ersten Christinnen und Christen ihre Gottesdienste am Sonntag, dem Beginn der Woche. Und Sabbat, der Ruhetag, den der Schöpfer seiner Schöpfung schenkte? Der Sabbat, der Samstag, ist der siebte Tag. An dem schuf Gott die Ruhe. Für Jüdinnen und Juden ist er bis heute der Ruhetag. Aber wie wäre das, wenn die Auferstehung die ganze Woche durchzöge? Wenn er das Vorzeichen ist, das die Melodie und den Takt für die ganze Woche angibt? Wie wäre das, als Sonntagsmenschen zu leben – sowohl als Einzelne und als auch in der Gemeinschaft? Was würde das mit uns machen? Was würde uns dabei helfen? Es beginnt damit, dass wir uns die Botschaft der Auferstehung vergegenwärtigen. Der Tod hat nicht das letzte Wort. Die Botschaft der Auferstehung zaubert nicht alle Furcht, alles Sterben und alle Nöte weg. Im Gegenteil – sie breitet sich mitten darin und durch all dies hindurch aus und tröstet. Sie eröffnet immer wieder neue Lebensperspektiven, überlässt dem Tod nicht die Macht. Gottes Ziel mit uns ist das Leben. Und die Zukunft wird dem Leben gehören. Das feiern wir jeden Sonntag! Wo zwei oder drei in meinem Namen versammelt sind, da bin ich mitten unter ihnen. Matthäus 18,12 Ein Baustein, als Sonntagsmenschen zu leben, ist die Gemeinschaft. Die Selbstverständlichkeit, mit anderen Menschen zusammen zu sein, hat in der Corona-Zeit sehr gelitten. Das haben wir auch in unseren Gottesdiensten gespürt. Von Gemeindemitgliedern habe ich gehört, dass sie aus Sorge, sich anzustecken oder angesteckt zu werden, nicht zum Gottesdienst kommen. Ich hörte auch, dass Ihnen die Gemeinschaft im Gottesdienst fehlt. Telefonate und Einzelbesuche haben hier zwar geholfen und sind auch in Zukunft wichtige Elemente. Doch es braucht vor allem die Gemeinschaft am Sonntag vor Ort. Sich in seinem Namen zu versammeln, im Namen des Auferstandenen, das ist die Grundlage. Sich versammeln zum Gebet, zur Verkündigung des Evangeliums und zur Feier des Abendmahles, das gibt seinem Namen Raum. Und ist die Zusage nicht wundervoll, dass er dann mitten unter uns ist? Wenn wir bei unserer Gemeindeversammlung im November überlegen, wie unsere sonntäglichen Feiern in unserer Kapelle aussehen könnten, dann tun wir dies als Sonntagsmenschen. Der Sonntagsgottesdienst, so wie wir ihn seit Jahren in unserer Gemeinde feiern, ist dabei eine mögliche Form. Aber gibt es nicht noch andere Formen, wie wir uns in seinem Namen versammeln können? Ich freue mich auf den Austausch mit Ihnen und Euch. Wer am 7. November nicht zur Gemeindeversammlung kommen kann, kann gerne telefonisch oder schriftlich mit mir Kontakt aufnehmen und seine Gedanken und Ideen teilen. Diese werden dann auch in der Gemeindeversammlung Raum finden.
Von Sonntagsmensch zu Sonntagsmensch grüßt Sie und Euch Gisela Egler-Köksal Damit Ströme lebendigen Wassers fließen Am 26. September 2021 feierten wir mit der serbisch-orthodoxen Gemeinde und der Evangelischen Oromo-Gemeinde unseren gemeinsamen Gottesdienst. Jugendliche und junge Leute aus dem Gemeinden haben ihn mitgestaltet in Gesang, Gebeten und einer Auslegung zu Johannes 7, 37-39, den Text, der von der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen als Predigttext für den Gottesdienst zum Tag der Schöpfung vorgeschlagen wurde. Wir haben diesen Bibeltext im KonfirmandInnenunterricht sowie im Kinder– und Jugendgottesdienst besprochen. Eine kleine Gruppe hat die weitere Vorbereitung übernommen und im Gottesdienst diese Gedankengeteilt. Lesen Sie nun die Gedanken der Jugendlichen in Auszügen.
Einen gesegneten Oktober wünscht Ihnen Ihre
37 Am letzten Tag, dem
Höhepunkt des Festes, 38 wer an mich glaubt. 39 Jesus bezog dies auf den
Heiligen Geist. Johannes 7, 37-39 Jesus besucht den Tempel in Jerusalem. Dort wird gerade das jüdische Laubhüttenfest gefeiert. Man kann es vermutlich am besten mit unserem Erntedankfest vergleichen. Die Menschen danken Gott für die Ernte und beten um Regen. Außerdem gedenken die Juden bei diesem sieben Tage dauernden Fest der 40-jährigen Wanderung durch die Wüste, die sie nach dem Auszug aus Ägypten ins Gelobte Land führte. Was war das Auffälligste an dieser Wüstenwanderung? Gott gab den Menschen jeden Tag genug zu essen. Aber es konnte für die nächsten Tage nichts aufbewahrt werden. Sammelten die Menschen mehr Mannah, als sie essen konnten, war es am nächsten Tag schlecht. Etwas ähnliches erleben wir auch heute mit vielen Lebensmitteln. Es wird zu viel produziert und dann weggeworfen. Würde jeweils nur so viel produziert, wie tatsächlich gebraucht wird und würde das vorhandene gerecht unter den Menschen verteilt, wäre genug für alle da und nichts würde verschwendet. So werden wir dazu aufgefordert, dass jede Generation die Erde nur so nutzen soll, dass sie die Lebensmöglichkeiten für die nächste Generation erhält und möglichst ausbaut aber nicht über Gebühr ausnutzt. Für uns ist das die Aufforderung, Gott für seine Schöpfung zu danken und uns Gedanken über unsere Rolle in seiner Schöpfung zu machen.
Bei einer Wanderung durch die Wüste ist natürlich auch Wasser eine wichtige Ressource und deshalb stand beim diesjährigen Ökumenischen Tag der Schöpfung das Thema „Wasser“ im Mittelpunkt.
Wasser ist sehr bedeutsam für das Leben, für die Natur und für uns. Unser Körper besteht zu über zwei Dritteln aus Wasser. Ohne Wasser gibt es kein Leben – es ist lebensspendend und Wassermangel ist eine der schlimmsten Gefahren aktuell. Um Wasser wird weltweit gekämpft. Ohne Wasser kann ein Mensch nur wenige Tage überleben. Und täglich sterben viele Menschen, weil sie keinen Zugang zu frischem Wasser haben. Aber Wasser hat auch zerstörerische Kraft. Das mussten wir in diesem Jahr an vielen Orten der Welt erleben. Auch hier in Deutschland haben viele Menschen bei Unwettern ihr Zuhause verloren.
Die Wüste oder trockene Erde kann sich nicht vornehmen, genug Wasser zu haben. Und sie kann nicht von sich aus blühen. Sie kann das Wasser, wenn es dann kommt, nur für eine kleine Weile aufheben und bewahren. Immer wieder muss sie warten: auf das Wasser von oben, dass sie zum Blühen bringt. Sie muss nichts weiter tun, als sich für diesen Moment bereitzuhalten.
Und das ist es auch, was Jesus uns zumutet aber auch zutraut: Oft fühlen wir uns leblos, wie ausgetrocknet, ohne Energie, Kraft und Möglichkeiten zu handeln. Aber Jesus verheißt uns Ströme lebendigen Wassers, die uns mit Energie, Kraft und Lust zum Handeln füllen. Dieses lebendige Wasser, dass Jesus uns verheißt und das diesen Durst der Menschen stillt, ist der Heilige Geist. Der Mensch muss sich für den Moment bereithalten, an dem ihn der Geist erfüllen möchte. Das ist manchmal ganz schön schwer. Aber es lohnt sich, denn wenn es geschieht, dann wird es sein, als ströme lebendiges Wasser von seinem Leib, genug für den Menschen selbst und genug für die Menschen um ihn herum.
Margee Abdi, Francis Ceesay, Iris Köksal Miteinander sprechen, zuhören, fragen, streiten und beten Gedanken zu der Geschichte von Kain und Abel (1. Mose 4,1-16) Eva, die Mutter, freute sich über Kains Geburt . Über die Geburt von Abel wird nicht mit Freude berichtet. Kain ergreift den Beruf des Landwirts, und Abel wird Viehzüchter. Sie gehen verschiedene Wege – so wie wir auch. Wir haben verschiedene Lebensentwürfe, mögen verschiedene Musik, denken verschieden, lieben verschieden… Wir haben soviel mit Worten auszutauschen: Wie siehst Du das? Wie verstehst Du das? Wovon träumst Du? Was würdest Du heute anders machen? Interessieren Dich auch meine Antworten? Die Brüder Abel und Kain ehren Gott und opfern, was sie haben. Kain opfert Früchte des Feldes, Abel ein Tier. Aber Gott sieht nur Abel und sein Opfer gnädig an. Doch Kain und sein Opfer schaute er nicht wohlwollend an. (Vers 5) Kain und Abel reden nicht miteinander. Dabei gäbe es jetzt so vieles zu fragen: „Warum du und nicht ich? Wie verstehst du das?“ Kain redet auch nicht mit Gott. Dabei wäre das doch das Naheliegendste: „Warum, mein Gott, siehst du mein Opfer nicht? Ein spannungsvolles Schweigen ist gefährlich, bereitet dem Unheil den Weg. Kain hätte mit Gott streiten können. Ein gewaltiger Zorn staut sich in Kain an. Nun ergreift Gott das Wort und spricht Kain an: Ist es nicht so: ‚Wenn du Gutes planst, kannst du den Blick frei erheben. Hast du jedoch nichts Gutes im Sinn, dann lauert die Sünde an der Tür. Sie lockt dich, aber du darfst ihr nicht nachgeben.‘ (Vers 7-8) Kain antwortet Gott nicht. Später geht er mit Abel schweigend auf das Feld. Aus seinem wortlosen Zorn entsteht die furchtbare Tat. Kain erhebt sich gegen Abel und schlägt ihn tot. Er wird zum Mörder seines Bruders. Da ergreift Gott ein zweites Mal das Wort: „Wo ist dein Bruder Abel?“ ‚Das weiß ich nicht.‘, sagt Kain, ‚Bin ich dazu da, auf meinen Bruder achtzugeben?‘ (Vers 9) Kain weicht aus und antwortet stattdessen mit einer Gegenfrage. „Wo ist dein Bruder, was hast Du getan?“ Gottes Stimme hallt über unseren Planeten. Das Blut von Abel liegt in der Erde. Er lebt nicht mehr. Kain muss das Land nicht mehr mit ihm teilen. Das Blut seines Bruders hat aber die Erde erschöpft. Sie gibt ihren Ertrag nicht mehr her. Kain erkennt, dass alles zusammenhängt. Der Brudermord hängt mit der Ernte zusammen. Unser Umgang weltweit miteinander als Schwestern und Brüder und mit der Natur. Endlich spricht Kain und erkennt die Schwere seiner Tat: ‚Die Strafe ist zu schwer‘, sagt er, ‚ich kann sie nicht tragen.‘ (Vers 13) Er zieht Konsequenzen aus seiner Tat: ‚Die Strafe ist zu schwer für mich. Du verjagst mich jetzt vom Ackerland und verbannst mich aus deiner Gegenwart. Als heimatloser Flüchtling muss ich von Ort zu Ort ziehen. Jeder, dem ich begegne, kann mich erschlagen.‘ (Vers 13-14) Gott antwortet und zerbricht damit das Rad der Gewalt: ‚Das soll nicht geschehen! Wer Kain tötet, an dem soll es siebenfach gerächt werden.‘ Der Herr machte ein Zeichen an Kain. Niemand, der ihm begegnete, durfte ihn töten. (Vers 15) Das Abel und Kain nicht miteinander und mit Gott geredet haben, führt zu Gewalt, Mord und zur Zerstörung der Schöpfung. Mit dem Kainszeichen durchbricht Gott diesen Kreislauf. Die Geschichte von Kain und Abel ist unser aller Geschichte. Mit Gott und miteinander zu reden, zuzuhören, zu fragen, zu streiten über das, was uns wichtig ist, was uns verbindet und was uns trennt, ist lebenswichtig für uns Menschen als Teil der Schöpfung Gottes. Und nicht zu vergessen das Beten: Gott, du hast Wasser des Lebens. Gib mir davon zu trinken, damit die Wüsten in mir grün werden. Gib mir davon zu trinken, damit das Harte in mir weich wird, damit Liebe wachsen kann, die Hoffnung nie versiegt, der Glaube nicht austrocknet. (…) Gib du mir das Wasser des Lebens. Amen Gisela Egler-Köksal Dieses Gebet ist aus dem Gottesdienstheft für den Tag der Schöpfung 2021 der Arbeits-gemeinschaft christlicher Kirchen in Deutschland: https://www.oekumene-ack.de/fileadmin/user_upload/schoepfungstag/Bodensee_2021/ACK_GoDiHeft_2021_RZ_Screen_K.pdf
Ich habe diesen Vers aus Römer 12, 21 als meinen Konfirmationsspruch gewählt, da er unglaublich ausdrucksstark und aufbauend ist. Sich nicht vom Bösen überwinden zu lassen, sondern mit Gutem entgegenzutreten hört sich leichter an, als es tatsächlich ist. In vielen menschlichen Beziehungen herrscht Hass und Ungerechtigkeit. Jede Spur von Liebe fehlt. Das Böse nimmt überhand und will uns erniedrigen. Da neigen wir oft dazu, unseren Mitmenschen ebenfalls mit Bösem zu begegnen, und denken, wir haben richtig gehandelt. Im Gegenteil! Der Vers lehrt uns positiv und standhaft zu bleiben, obwohl uns nicht auf diese Art und Weise entgegengetreten wird. Besonders wichtig ist es, sich selbst nicht zu verlieren und optimistisch zu bleiben, wobei der Glaube uns unglaublich hilft und uns aufbaut. Auf der Abbildung sehen wir ein freundliches Männchen, das einer Kanone gegenübersteht. Normalerweise ist das Männchen durch die Kanone gefährdet, doch es hält mit einem Lächeln eine Gießkanne in der Hand, mit der es eine Blume gießt, die aus der Kanone herauswächst. Das Böse wird hier durch die Kanone dargestellt. Mit Hilfe des Männchens ändert sich die Rolle der Kanone, denn nun wächst eine Blume heraus, die gegossen wird und das Gute repräsentiert. In Bezug auf unser Leben können wir mitnehmen, dass wir in der Lage sind, das Böse zu stoppen, indem wir ihm was Gutes tun. So kann es unfassbar hilfreich sein, wenn wir unseren Feinden beistehen und uns um sie sorgen. So werden sie eines Tages kein Feind mehr sein, uns danken und sich dem Guten zuwenden. Das Böse wird zwar immer eine Rolle in der Menschheit spielen, doch dieser Vers motiviert mich dazu, mich nicht unterkriegen zu lassen. Olity Cheru Batu Besinnung Wir befinden uns im zweiten Coranajahr. Der Osterjubel scheint noch so ferne. Leiden, Furcht und Zweifel stehen im Mittelpunkt, Ostern sehen wir noch nicht. Die Frauen waren am Ostermorgen bei dem leeren Grab; der Leichnam Jesu war verschwunden. Von zwei Engeln erhielten sie den Hinweis: Was sucht ihr den Lebenden bei den Toten? Er ist nicht hier, er ist auferstanden! Diese Botschaft von den Engeln brauchen wir jetzt! Trost, Freude, Zuversicht und vor allem Gemeinschaft im Miteinander brauchen wir jetzt! Die Frauen erleben: Der Stein ist weggewälzt – für immer weggewälzt. Sich dem Ostermorgen annähern, mit dem, was uns im Innersten bewegt - wer sich so auf den Weg macht, geht gemeinsam mit den Frauen zu dem Grab. Vielleicht mit der Frage, wer diesen oder jenen großen Stein vom Grab wegwälzen wird. Der weggerollte Stein wird zum Symbol der Botschaft, dass Gottesliebe stärker ist als der Tod. Allen Ostergeschichten der Bibel ist gemeinsam: Glaube und Freude brechen sich sehr leise und behutsam Bahn. So wie heute. Denn die Osterbotschaft zaubert nicht alle Furcht, alles Sterben und alle Nöte weg, sondern - im Gegenteil –sie breitet sich mitten darin und durch all dies hindurch aus und tröstet. Gottes Ziel mit uns ist das Leben. Und die Zukunft wird dem Leben gehören. Es steht in Gottes Hand.
„Christ ist erstanden – er ist wahrhaftig auferstanden!“ Ich wünsche Ihnen, dass Sie inmitten von allem einstimmen können in diesen Jubelruf.
Bleiben Sie behütet! Ihre Gisela Egler-Köksal Die Jahreslosung lädt uns ein, sie durch das Jahr hindurch immer wieder neu zu bedenken:Zur Jahreslosung (III) Gott ist barmherzig. Dieser Drei -Worte -Satz prägt sich ein, er löst Gedanken und Empfindungen aus: Freude, Dank, Erleichterung und anderes. Hat Gott eine menschliche Eigenschaft, wenn er sich als barmherzig zu erkennen gibt? Ist barmherzig sein eine menschliche Eigenschaft? Nein, im Gegenteil: „Gott ist barmherzig“ bezeugt eine unverrückbare Eigenschaft Gottes, die er in der Schöpfung den Menschen als Befähigung und Handlungsmöglichkeit mitgegeben hat.
Inmitten der vielen Eigenschaften, die in der Bibel von Gott bezeugt werden, verheißt Jesus seinen Zuhörern hier, dass Gott auch barmherzig ist. Alle Eigenschaften hat Gott umfassend, schon immer und für alle Zeit. So ist Gott barmherzig. Und jetzt zu: „Seid barmherzig!“. Wörtlich genommen wissen wir, dass barmherzig sein gar nicht menschenmöglich ist; überhaupt nichts können wir umfassend und immer sein, sondern nur beginnen, Schritte tun, üben, verbessern und verändern. Und das genau steckt in der Aufforderung Jesu, barmherzig zu sein.
Aus dem Gleichnis vom barmherzigen Samariter konnten wir lernen: Für alle, die Mangel leiden an Gütern Leib oder Seele, zählt nur, dass jemand sich ihnen zuwendet, abgibt oder hilft. Unwichtig ist dabei, ob wir aus Bürgerpflicht, Solidarität, Nächstenliebe oder Barmherzigkeit handeln. Niemand kann von sich sagen: Hallo, ich war oder bin barmherzig; oder daß ein Dritter von außen urteilt, jemand sei barmherzig gewesen. Am ehesten könnte es die Person barmherzig nennen, der die Zuwendung, Hilfe oder Teilnahme zugute gekommen ist. Diese Person aber hat die Aufforderung zur Barmherzigkeit nicht bekommen, sondern sie war nur Empfänger von etwas Schönem, Hilfreichen, Heilsamen - eben Barmherzigen.
So ist barmherzig sein auch keine Eigenschaft, die man hat, für die man gelobt wird oder sich auf ihr ausruhen kann. Es ist eine Eigenschaft, die immer erst beginnt und geübt werden muss, eine Eigenschaft, die wird, nicht ist. „Seid barmherzig“ ist ein Anstoß, ein Auftrag, eine Chance, die göttliche Eigenschaft auszuprobieren und damit anzufangen. Um diese Bewegung, die jede(r) selbst auf seine Weise in Gang setzen muss, auszudrücken, schlage ich vor, die Jahreslosung so zu lesen: Werdet barmherzig, wie auch euer Vater barmherzig ist. Ingo Schumacher
Zur Jahreslosung (II) Seid barmherzig, wie auch euer Vater barmherzig ist. (Lukas 6,36)
Betrachten wir doch jetzt einmal das unscheinbarste Wort der Jahreslosung: „wie“. Wissen wir eigentlich, was „wie“ bedeutet? Das Deutsche Wörterbuchnennt dreizehn Möglichkeiten zur Verwendung des Wortes „wie“. „Was?“ riefen wir zurück, wenn wir einen Zuruf nicht richtig verstanden hatten.Die strenge Tante mischte sich ein und korrigierte: Das heißt nicht „was“,sondern „wie Bitte“. Widerspruch zwecklos, aber nicht überzeugt. Die Frage „was (hast du gesagt)“ ist doch nicht besser als die
Aufforderung„wiederhole bitte“.
Eine der dreizehn
Möglichkeiten, „wie“ zu gebrauchen, haben wirgerade gelernt, sie ist jedoch untauglich für das Verständnis derJahreslosung. Wenn „wie“ doch so vieldeutig und unbestimmt ist, könnten wir es doch lieber weglassen; aber schon beim Lesen ohne „wie“ merken wir: das geht gar nicht, die Teilsätze hätten ihre Verbindung verloren. Da trifft es sich, daß das Wort „wie“ (deutlicher noch als „sowie) die Bedeutung des gewöhnlichen „und“ haben kann. So bleibt der ganze Satz zwar verständlich, aber zwischen den Teilen fehlt die Spannung, die Würze. Vielleicht ist hier ein vergleichendes „wie“ gemeint, wie es in biblischenTexten reichlich verwendet wird. Das vergleichende „wie“ rückt zweiverschiedene Dinge, Personen, Eigenschaften u.a. näher aneinander und läßt zugleich offen, wie nahe sie sich dabei kommen; jedenfalls bleiben sie nebeneinander bestehen und werden nicht gleich wie ein Rechenergebnis (5-3=2). Aber wollen wir wirklich die zugesagte Barmherzigkeit Gottesvergleichen mit unseren halbherzigen Versuchen, barmherzig ist.
Und tatsächlich ist das kleine Wort „wie“ auch verwendbar im Sinne desbegründenden „weil“ oder „denn“. Folgen wir also der Jahreslosung weiter in das Jahr hinein in diesem Verständnis: Seid barmherzig, weil auch euer Vater barmherzig ist. Ingo
Schumacher (Februar 2021)
„Seid barmherzig, wie auch euer Vater barmherzig ist!“ (Lukas 6, 36)Als ich die neue Jahreslosung las, erinnerte ich mich, daß ich schon beider Vorbereitung einer Jungschar – Andacht vor 60 Jahren mit dem Wort„barmherzig“ meine Schwierigkeiten hatte: es kam in meinem Alltag und in dem der Gruppe nicht vor. Unbefangen, wie man eben war,ersetzte ich das Wort barmherzig durch warmherzig. Darunter konnte jeder sich etwas vorstellen, mehr noch, jeder und jedespürt in unterschiedlicher Weise, was dieses Wort auslöst, verändert,möglich macht.
Damit uns die Jahreslosung alle und jeden Tag
aufs Neue begleiten kann, schlage ich sie heute in einer Variante vor.
Jesus ruft seinen vielen Zuhörern von nah und fern bei der von Lukas
zusammengestellten Feldrede zu: Seid warmherzig, wie euer Vater warmherzig ist. (In
dem entsprechenden Satz der Bergpredigt bei Matthäus hieße es dann: Selig sind die Warmherzigen, denn sie werden Warmherzigkeit erlangen.) Jeder kann sich immer wiedervornehmen, bei alltäglichen Begegnungen, Konflikten, Regelverstößen undBeurteilungen an die Angelegenheit warmherzig
heranzugehen, das heißtnicht nach (kaltherzigen) Schema, Vorurteilen,
eigener Interessenlage – um nur einige der üblichen und von Anderen auch erwarteten Verhaltensweisen zu nennen.
Das Unerwartete, die offene Hand statt der
geballten Faust, der offene, statt der vermiedene Blick kann das
gute Ergebnis bringen. Ja, es kann, muß aber nicht, ist kein Zaubertrick. Das
sehen wir auch, wenn wir den zweiten Teil der Jahreslosung anschauen: … wie auch
euer Vater (b)warmherzig ist. Gott wird uns in der Bibel mit vielen
Eigenschaften bezeugt, und manche seinen uns sogar im Widerspruch zu andern zu
stehen. Wenn wir auf ihn vertrauen, daß er warmherzig ist, so bekennen
wir ihn als den lebendigen Gott, der in und mit seiner Schöpfung wirkt. Aber
nicht als einen Automaten (Geld rein, Ware raus), sondern als Gott in vielerlei Gestalt.
Freuen wir uns also über ein Jahr mit diesem
Leitspruch, freuen wir uns auf Begegnungen, bei denen wir etwas von seinem
Anspruch spüren, überall und in der Gemeinde. Seid warmherzig, wie auch euer Vater warmherzig ist.
Ingo Schumacher
Inspiriert hat mich Ingo
Schumachers Wort der Besinnung: Seid warmherzig! Dies ist überlebenswichtig in der Pandemiezeit – hier und weltweit! Gott schenkt uns die Empathie und das Mitgefühl über den eigenen Tellerrand zu sehen und macht uns neugierig auf die Mitmenschen. Gott öffnet unsere Augen und Hände, wohlwollend und warmherzig zu sehen und zu handeln. Das Ihr diese Gottesnähe in Kontakten erlebt und Ihr Euch in einsamen Stunden daran erinnert und den Weg aus der Einsamkeit findet, das wünsche ich Ihnen und Euch von Herzen Gisela Egler-Köksal
Weihnachten 2020 Außerhalb
Außerhalb der sozialen Rollen, der Ort, wo Gott zur Welt kommt. Die Hirten – Leute am Rande der Gesellschaft. Wer traut ihnen zu, Weltwichtiges zu tun?
Die Engel rufen sie. Die Hirten überwinden sich. Sie gehen über die ihnen zugeschriebenen Grenzen hinaus. Sie verlassen, was ihnen gewohnt ist, für sich selbst und für die anderen. Sie machen sich angreifbar vor den Vielen. Und doch – sie gehen los. Sie gehen Gott entgegen. Sie bringen dem neugeborenen Kind, was es braucht – eine warme Decke. Sie sind mitten dabei.
Gott, ich bitte dich für alle, die ihre gewohnten Wege verlassen, lass sie finden, wonach sie sich sehnen. Amen.
Aus: https://ignatius.de/stadtgelaeut-weihnachtsgebet/wp-content/uploads/sites/5/2020/12/Druckversion-Weihnachtsgebet-1.pdf
„Außerhalb“ - eine besondere Andacht zu Weihnachten Für viele Frankfurterinnen und Frankfurter gehört das Stadtgeläut zu Weihnacht einfach dazu. Diesen Weg während des Geläuts mit vielen Anderen zu gehen, ist für sie eine Möglichkeit sich der Botschaft von Weihnachten zu öffnen. In unserem ökumenischen Monatstreff im Stadtteil haben wir uns überlegt, wie wir dies aufgreifen können, auch in Zeiten, wo diese Glocken nur im Internet erklingen. Herausgekommen ist eine „Online-Andacht“! Wir haben einen Leitgedanken aus der Weihnachtsgeschichte aufgenommen, der durch die Andachtstexte führt. Es ist der Begriff „außerhalb“. Von den Hirten, die außerhalb der Gesellschaft waren, haben Sie und Ihr ja schon auf Seite 2 gelesen und den entsprechenden Link für die ganze Andacht. Sie und Ihr könnt die Impulse auch betrachtend mit hinterlegtem Stadtgeläut (ca. 15 Minuten) anhören: https://www.youtube.com/watch?v=4nS7zFNMDDQ&feature=youtu.be. Die Texte finden sich auch auf der Seite: https://ignatius.de/stadtgelaeut-weihnachtsgebet/
Es laden Sie und Euch herzlich ein, diese eigene Form einer ökumenischen Weihnachts-Andacht mit zu feiern. Die Gemeinden: St. Ignatius-Gemeinde, Alt-Katholische Gemeinde, Ev.-reformierte Gemeinde, Evangelisch-lutherische St. Katharinen-Gemeinde, Ev. Personalkirchengemeinde Christus-Immanuel Herbst 2020 Glauben in der Coronazei t
Im ÖZ- Arbeitskreis haben wir uns entschieden, inmitten dieser Zeit, einen Gottesdienst in unserer Kirche zu feiern - dieses dann nur mit einer begrenzten Zahl von Mitfeiernden und vorheriger Anmeldung. Uns war wichtig unsere Gemeinschaft und Verbundenheit auch in dieser Form Ausdruck zu geben. Am 4. Oktober feierten wir unter “Coronabedingungen” unseren halbjährlichen gemeinsamen Gottesdienst. Dieses Mal feierten wir zusammen mit der serbisch-orthodoxen Gemeinde und der Oromogemeinde. Die chinesische Gemeinde hat diesen Gottesdienst nicht mitgestaltet. Sie feiern seit Beginn der Pandemie bis auf Weiteres ihre Gottesdienste und Bibelstunden digital. Wir sind im Austausch und in Gebeten verbunden. Ein kleines Vokalensemble der serbisch-orthodoxen Gemeinde und der Oromogemeinde und Margarita Barajas hüllten uns mit ihrem Gesang ein. Jede Gemeinde teilte Gedanken zu dem Thema Glauben in der Coronazeit in Kurzansprachen. Für alle, die diesen Gottesdienst nicht mitfeiern konnten, hier nun Auszüge aus den Ansprachen.
Als Christen sind wir der festen Überzeugung: Krankheit ist keine Strafe Gottes – weder für Einzelne, noch für ganze Gesellschaften, Nationen, Kontinente oder gar die ganze Menschheit. Krankheiten gehören zu unserer menschlichen Natur als verwundbare und zerbrechliche Wesen. Dennoch können Krankheiten und Krisen sehr wohl den Glauben an die Weisheit und Güte Gottes und auch an ihn selbst erschüttern. Krankheiten und Krisen stellen uns Menschen vor Fragen, über die wir nicht leicht hinweggehen können. Auch wir Christen sind mit diesen Fragen nach dem Sinn menschlichen Leids konfrontiert und haben keine einfachen Antworten darauf. Die biblische Botschaft und der christliche Erlösungsglaube sagen uns Menschen jedenfalls zu: Gott ist ein Freund des Lebens. Er liebt uns Menschen und leidet mit uns. Gott will das Unheil nicht. Nicht das Unheil hat darum das letzte Wort, sondern das Heil, das uns von Gott verheißen ist.
Bin ich als Orthodoxer- Christ immun gegen Corona? Wenn ich glaube, dass ich nicht in die Verlockung des Lästerns, Lügens und des Verleugnens und der Verschwörung verschiedener Übel gegen meinen Nächsten kommen kann und keine bösen Gedanken in meinen Kopf bekommen kann, dann ist der Glaube, dass ich kein Virus sogar auffangen kann, gerechtfertigt. Aber ist das wirklich so? Die Antwort bleibt auf unserer Ehrlichkeit und Aufrichtigkeit stehen. Eines ist sicher, als orthodoxer Christ möchte ich nicht, dass eine andere Person wegen mir einen schlechten Gedanken geschweige denn schlechte Laune bekommt und noch weniger das Virus. Besonders in schwierigen Zeiten macht uns das gemeinsame Gebet noch stärker. Sehr herzlich lade ich die Christen und Christinnen in Frankfurt zu diesem Zeichen der Verbundenheit, der Gemeinschaft und der Hoffnung in der Corona-Pandemie ein. Im Gebet vertrauen wir einander Gott an. Besonders bitte ich um das Gebet für die Kranken und Vereinsamten, für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Gesundheitswesen und für alle, die für die Grundversorgung arbeiten und die sich in diesen Tagen für das Gemeinwohl engagieren." In diesen Zeiten der Verunsicherung begleiten Sie alle unsere Gebete und Segenswünsche! Bleiben Sie behütet an Leib und Seele. Gott segne Sie! Erzpriester Slobodan Tyanic Markus 9, 23-24 23 Jesus aber sprach zu ihm: Du sagst: Wenn du kannst! Alle Dinge sind möglich dem, der da glaubt. 24 Sogleich schrie der Vater des Kindes: Ich glaube; hilf meinem Unglauben! Jesus aber sprach zu ihm: Du sagst: Wenn du kannst! So wie der Mann ein "wenn" auf die Macht Christi setzte, setzt Christus ein "wenn" auf den Glauben des Mannes.Auch wenn wir ein „wenn“ und ein „aber“ haben, können wir zu Jesus gehen. Der Vater des Kindes schrie: Ich glaube, hilf meinem Unglauben! Wir dürfen mit unserem Unglauben zu Gott um Hilfe schreien. Das öffnet den Weg zu Gott. Und zu dem Glauben, dass alle Dinge für uns von Gott oder von Christus oder vom Geist Gottes getan werden können. Covid-19 betrifft uns im Moment sehr stark. Aber wir wissen eins: Es liegt Kraft im Glauben an Jesus. Durch diese Kraft werden wir verstehen, wie wir unser tägliches Leben in dieser Krisenzeit leben können. Im Namen Jesu, werden wir diese Krise überwinden. Amen. Gemechis Kerasa
Werft all eure Sorgen auf ihn, denn er sorgt für euch. 1. Petrus 5,7 Wir alle hatten unsere Sorgen und Gedanken aufgrund der Coronapandemie. Sei es um die finanzielle Existenz oder um die eigene Gesundheit und die der Geliebten. Während des Lockdowns wusste niemand wie es wirklich weitergehen würde. Wir konnten einander in dieser Zeit nicht beistehen und einander aufbauen. Trotz Schließung der Kirche konnte man seinen Rückzugsort bei Gott suchen. Er hat uns zugehört und wir konnten ihm unser Sorgen mitteilen. Er nahm alle unser Sorgen auf sich und sorgte für uns. Dies führte dazu, dass wir in dieser bedrückenden Zeit Entlastung fühlen konnten. Er gab uns Zuversicht und Kraft, die wir in dieser Zeit stark benötigt haben.
Auch wenn die Kirchen wieder geöffnet sind und sich alles wieder Richtung Normalität bewegt, haben wir weiterhin Sorgen und Bedenken, die Gott mit uns trägt. Und was passiert mit uns, wenn wir unser Sorgen nicht alleine tragen müssen? Wir sparen Kraft, aber gewinnen auch welche hinzu, das wir wissen, dass der Herr immer bei uns ist. Dies alles tut Christus für uns, weil wir ihm am Herzen liegen und er uns liebt. Margee Abdi und Olity Batu Fürbitten (aus dem gemeinsamen Gottesdienst am 4. Oktober 2020) Gott, wir beten für die Gemeinschaft in unserem Ökumenischen Zentrum. Segne du unsere Gemeinden. Wir beten für die chinesische Gemeinde. Stärke du jeden einzelnen von ihnen. Sei du bei ihnen, wenn sie Gottesdienste online feiern, miteinander beten, füreinander und für die Welt und sei du in ihrem Alltag, Tag für Tag, stärke du sie, schütze du sie.
Stärke Du die Gemeinschaft in den Gemeinden und den Gemeinden untereinander, gerade jetzt, wo wir uns oft nicht direkt treffen können. Laß uns uns immer im Blick behalten.
Sei du bei unseren Familien und denen , die uns nahe stehen, hier in Frankfurt und auch in Serbien, Äthiopien, Eritrea und in China. Hilf uns gemeinsam wachsam zu sein, füreinander da zu sein.
Gott, weite unseren Blick für alle, die uns gerade jetzt brauchen, die keine Hilfe erfahren, die an den Grenzen Europas um ihr Überleben kämpfen. Bring uns in dieser Krise zur Einsicht für das, was im Leben wirklich zählt, und weck in uns Kräfte zum Guten. Wir beten für die Betroffenen der Pandemie weltweit: Menschen, die in existenzielle Not geraten, Menschen, die keine wirksame medizinische Hilfe erhalten. Für alle, die Willkür und Gewalt der Mächtigen erfahren. Für alle, die für Freiheit und gleiche Rechte aller kämpfen – besonders in Äthiopien Für alle, die für die Verteidigung des Lebens arbeiten, Black Lives Matter, gegen Frauenmorde, für das Klima.
Erfülle uns mit dem Geist der Besonnenheit und der Hoffnung. Mach uns streitbar gegen menschenverachtende Parolen, empfindsam für die Angst, die sie verbreiten, und öffne unseren Blick für die, die uns brauchen.
Gott, gründe uns in deinem Wort, das Zukunft verheißt. Hilf uns gemeinsam wachsam zu sein. Amen Aufmachen - Pfingsten, das Fest der Ausschüttung von Gottes Geist, das Wunder des Verstehens über Grenzen hinweg Die Jüngerinnen und Jünger hatten sich nach Ostern in einem Zimmer in Jerusalem zurückgezogen. Sie trauten sich nicht heraus aus Angst gefangen zu werden und vielleicht auch ermordet zu werden. Aber als Pfingsten die Kraft des Heiligen Geistes auf sie niederkommt, hält es sie nicht mehr nur in dieser eingeschworenen Gemeinschaft. Sie öffnen die Fenster, sie lassen frische Luft und Gottes Geist in ihre abgeschlossene, verängstigte, um sich selbst kreisende Gemeinschaft hinein. Sie gehen raus, sie sehen die anderen Menschen, sie hören sie, sie verstehen sie. Und plötzlich sprudeln die Erfahrungen mit Jesus Christus aus ihrem Munde. Plötzlich spüren sie die Gegenwart Gottes. Und nicht nur sie, sondern viele andere Menschen in Jerusalem. Pfingsten bewegt und verändert. Die Jünger und Jüngerinnen verlassen den engen Raum und treten in die Öffentlichkeit. Aus Ängstlichen werden Mutige. Aus Schweigenden werden prophetisch Sprechende. Aus einer geschlossenen Gesellschaft wird eine offene Gemeinde. Die Jüngerinnen und Jünger sprechen zu einer Menschenenge aus vielen Ländern und mit unterschiedlichsten Muttersprachen. Es geschieht etwas, was diese Geschichte so wundervoll macht: Jeder hört diese Frauen und Männer in der eigenen Sprache reden. Es ist nicht so, dass der Geist ihnen schnell Fremdsprachen eingetrichtert hätte. Alle behalten ihre Eigenheiten. Alle bleiben verschieden. Es gibt jetzt ein gemeinsames Verständnis, einen gemeinsamen Geist, aus dem ein Wir-Gefühl entsteht – jenseits von Nation, Familie, Klasse, Ethnie und Konfession. Gott ist wunderbar. Das ist die Geburtsstunde der christlichen Gemeinschaft, von Anfang an Ökumenisch, weltweit, unterschiedlich. Aufmachen – so sollte das Motto des gemeinsamen Pfingstmontags auf dem Römerberg und im Dominikanerkloster lauten. Aufmachen – das Motto für den Pfingstmontag wurde Anfang des Jahres festgelegt. Nicht einmal im Traum hätten wir unsere jetzige Situation – und die Absage dieses Treffens - ausmalen können. Für viele, auch einige aus unserer Gemeinde, ist dieser Pfingstmontag in den letzten Jahren ein Tag des gemeinsamen Feierns mit vielen FreundInnen aus den verschiedensten internationalen Gemeinden. Es ist jedes Jahr eine Freude sich dazu aufzumachen und etwas von dieser weltweiten Gemeinschaft von Christinnen und Christen in Frankfurt zu erleben. Aufmachen – das Motto bekommt jetzt einen anderen Klang, deutet jetzt auf eine Öffnung der besonderen Art! Durch die weitgehend geschlossenen Grenzen weltweit, mit den Ausgangsbeschränkungen und beschränkter Handlungsfreiheit durch die Corona-Pandemie ist mit einem Mal alles anders: „Das neuartige Coronavirus hat die Welt auf den Kopf gestellt, es verbreitet Angst und Schrecken und Chaos, und lässt Millionen von Menschen krank werden und führt bei Hunderttausenden zum Tod. Die Pandemie hat verheerende Auswirkungen auf die Volkswirtschaften, bringt das Familienleben überall und das Leben in den Gemeinwesen durcheinander, überfordert auch die fortschrittlichsten lokalen und globalen Systeme für die Gesundheitsversorgung, stellt die Standhaftigkeit und Leistungsfähigkeit von Regierungen auf die Probe und verursacht Hungersnöte.“ Aus der Pfingstbotschaft der ÖRK-Präsidentinnen und -Präsidenten: https://www.oikoumene.org/de/press-centre/news/resources/documents/wcc-presidents/pentecost-message-from-the-wcc-presidents-2020 Aufmachen – gerade in diesen Zeiten brauchen wir dieses Pfingstmotto umso mehr ! Aus einer “Shutdown, Lockerungen” bestimmten Gesellschaft wird eine offene Gemeinde – so die Pfingstgeschichte. Was bedeutet das heute in unserer heutigen Situation? Aufmachen – Herz, Mund, Häfen, Türen, Grenzen, Arme, Geldbeutel – wäre das nicht fein, wenn dies alles mit einem einfachen Drücken des Klingelknopfes zum Aufmachen zum Öffnen gebracht würde? Wie die Namens-schilder auf dem Titelbild vermuten lassen. Evangelischer Regionalverband Frankfurt und Offenbach Aufmachen – das ist zugleich unser Fest für heute. Wir feiern:
Aufmachen - die Kraft, diese Heilige Geistkraft, die die eigene Angst und Verzweiflung öffnet mit Liebe und Zuwendung. Aufmachen - diese Kraft, die die eigene Perspektivlosigkeit wahrnimmt und sie damit nicht alleine läßt. Aufmachen - diese Kraft, die die eigene Lähmung und Handlungslosigkeit öffnet für Bewegung und Perspektiven. Aufmachen - diese Kraft, diese Heilige Geistkraft, die aus der Isolation heraushilft und Wege zum Miteinander zeigt. Aufmachen – diese Kraft, die Mut schenkt neue Wege zu entdecken und zu gehen. Diese Kraft, die sich und anderen etwas zutraut. Aufmachen – die inneren und äußeren geschlossenen Fenster und Türen, frische Luft, Gottes Geist kann durchziehen, der alter Mief verschwindet, überflüssige Last loslassen. Luft zum Atmen und Kraftschöpfen zieht ein. Aufmachen – sich öffnen für das, was wirklich wichtig, gerecht und friedlich ist für uns, für unser Leben, für alle Menschen und für diese eine Welt. In diesem Sinne ein aufmachendes wunder-volles Pfingstfest wünscht Ihnen und Euch Gisela Egler-Köksal
Angedacht: Ostern 2020 Und sie sprachen untereinander: Wer wälzt uns den Stein von des Grabes Tür? Und sie sahen hin und wurden gewahr, dass der Stein weggewälzt war; denn er war sehr groß….. Er ist auferstanden! Markus 16,3.4+6 Wir alle kennen die Steine, die uns den Weg versperren. Manche sind so groß, dass wir sie nicht ohne weiteres aus dem Weg räumen können. Ein Stein, über den wir gerade alle stolpern, ist das Coronavirus. Dieses unbekannte Virus verbreitet Angst und Schrecken in der Welt – Ausgehsperren und viele geraten in wirtschaftliche Not. Viele, mit denen ich telefoniere, leiden unter Einsamkeit, unter der Sorge vor der Zukunft und vor dem Tod in Einsamkeit. Wir machen uns Sorgen um unsere Familien und Freunde in der ganzen Welt. Wir machen uns Sorgen um die Kranken und die Sterbenden, die jetzt ohne ihre Lieben sein müssen. In diese Zeit hinein lesen wir die Geschichte der Auferstehung aus dem Markusevangelium. Die Frauen auf dem Weg am Ostermorgen fragen: „Wer wälzt uns den schweren Stein vom Eingang des Grabes?“ Welche eigenen Erfahrungen, welche Ängste und Hoffnungen, welches Unglück und welches Glück finden wir an diesem Ostermorgen? Welchen Tod betrauern wir – ganz konkret, aber auch hinsichtlich unserer Hoffnungen und Pläne, hinsichtlich dem, was so gut und schön war und zu plötzlich zu Ende gegangen ist? Die Frauen sehen: Der Stein ist weggewälzt – für immer weggewälzt. Sich dem Ostermorgen annähern, mit dem, was uns im Innersten bewegt - wer sich so auf den Weg macht, geht gemeinsam mit den Frauen zu dem Grab. Vielleicht mit der Frage, wer diesen oder jenen großen Stein vom Grab wegwälzen wird. Der weggerollte Stein wurde zum Symbol der Botschaft, dass Gott – dass die Liebe stärker ist als der Tod. Die buntbemalten Steine auf dem Titelbild des Gemeindebriefes erinnern an den weggeräumten Stein. Sie drücken die Freude aus: Halleluja, „#stärkeralsderTod“, Lieben, das leere Grab…….. „Der Herr ist auferstanden – er ist wahrhaftig auferstanden!“ Ich wünsche Ihnen, dass Sie inmitten trotz allem einstimmen können in diesen Jubelruf. Bleiben Sie behütet! Ihre Gisela Egler-Köksal Titelbild Das Titelbild ist von Pfarrerin Corinna Senf aus der Nordkirche. Von der Nordkirche aus hat sich in den letzten Wochen die österliche Hoffnungsbewegung mit solchen „Ostersteinen“ ausgebreitet. Mehr Infos und Fotos finden Sie auf Facebook und Instagram unter #stärkeralsdertod und „Ostersteine“. Wer Lust hat, selber Steine zu gestalten, ist herzlich dazu eingeladen. Fotos können auch gerne an mich geschickt werden. Sie werden dann auf unserer Webseite veröffentlicht. Gisela Egler-Köksal #Hoffnunghamstern Wenn ich in diesen Tagen mit Gemeindemitgliedern telefoniere, merke ich immer wieder, wie sehr das Zuhause-bleiben-müssen und der fehlende übliche Alltag auf die Seele schlägt. Von Einsamkeit, der Sorge um die Ausbreitung des Coronaviruses, vielleicht auch selbst betroffen zu werden, der Angst um die Gesundheit und vieles mehr, höre ich. Ich erlebe, dass diese Gedanken wie ein Hamsterrad wirken und immer tiefer in Sorge und Verzweiflung bringen. Wie gut ist es dann, miteinander zu sprechen, herauszukommen aus dem Eigenen. Ich erfahre, dass Gemeindemitglieder sich gegenseitig anrufen. Sie berichten, wie gut ihnen der Austausch tut. Mit einigen hätten sie schon lange nicht mehr gesprochen. Wie gut es tut im Gespräch und Gebet verbunden zu sein, höre ich auch von den oromosprachigen Mitgliedern unserer Gemeinde, die zum Teil in WhatApp Gruppen miteinander verbunden sind und auch Bibelverse, Gebete, Lieder und hilfreiche Gedanken miteinander teilen. Die chinesische Gemeinde ist auch über die sozialen Medien miteinander verbunden. Das gemeinsame zeitgleiche Beten ist so auch über die räumliche Trennung hinweg möglich und schenkt in diesen Zeiten viel Kraft! Ich erfahre, wie dringend gerade in dieser Zeit Hoffnungsworte und Gebete gebraucht werden. Wir merken, dass wir besonders in diesen Zeiten nicht nur äußere Vorräte als Lebensmittel brauchen. Gerade darauf zielt diese Initiative #hoffnunghamstern (im Internet zu finden) – auf die „inneren Vorräte“. Die Älteren erzählen mir von dem Vorrat an Kirchenliedern, Psalmen und Gebeten, die sie in der Kindheit gelernt hatten. Vielleicht können sie diese Schätze ja jetzt hervorholen – immer wieder – jeden Tag ein oder mehrere Lieder …. Sicher kann das Vaterunser auch ein solcher innerer Vorrat sein – ein Gebet, das auswendig parat ist. Auf Englisch heißt das „by heart“, aus dem Herzen, also eigentlich inwendig statt auswendig: Worte, die mir Halt geben können, weil sie in mir sind, auch wenn ich kein Buch und kein Internet zur Verfügung habe. Hier in diesem Gemeindebrief schicke ich Ihnen Hoffnungstexte und ein Gebet mit. Lesen Sie diese in Ruhe, stecken Sie vielleicht eine Kerze dazu an. Dies vielleicht gerade auch in den Zeiten, in denen wir wie viele andere Gemeinden auch, die Glocken läuten. Verbunden sind wir damit auch mit der serbisch-orthodoxen Gemeinde. Sie werden auch in ihrer neuen Kirche zur gleichen Zeit die Glocken läuten. Gisela Egler-Köksal Der folgende Text ist ein Ausschnitt aus einem Interview zur Osterbotschaft mit Annette Kurschus, stellvertretende Ratsvorsitzende der EKD, stärkende Worte in dieser Zeit!!! Hoffnung der biblischen Ostergeschichte in Zeiten von Corona Gott sei Dank gibt es ja nicht die eine biblische Ostergeschichte, sondern mehrere – und die sind ganz unterschiedlich. Da sind die drei Frauen, die sich frühmorgens zum Grab aufmachen und statt des Leichnams Jesu einen Engel dort finden, der sie zurück ins Leben schickt. Da ist Maria Magdalena, die in Trauer versunken am Grab steht und nicht merkt, dass Jesus hinter ihr steht. Und als sie sich umdreht, hält sie ihn für den Gärtner. Da ist der Jünger Thomas, der nicht glauben kann, was er sieht. Er will die Wunden des Auferstandenen berühren, um Beweise zu haben. Und da sind zwei andere Jünger Jesu, die sich nach der Kreuzigung zutiefst entmutigt und enttäuscht auf den Heimweg machen. Während sie einander unterwegs ihr Herz ausschütten, geht Jesus neben ihnen her. Sie halten ihn für einen Fremden und erkennen ihn erst, als er abends mit ihnen am Tisch sitzt und Brot und Wein mit ihnen teilt. Zentrale Botschaft der Ostergeschichten Eins ist all diesen Ostergeschichten gemeinsam: Glaube und Freude brechen sich sehr leise und behutsam Bahn. Der Jubel, der in unseren Osterchorälen steckt, ist keineswegs die erste und spontane Reaktion auf die Auferstehung Jesu. Im Gegenteil: Am Anfang stehen Furcht und Zweifel. Das macht diese Geschichten so stark. Auch und gerade in der gegenwärtigen Situation. Weil die Osterbotschaft nicht alle Furcht, alles Sterben und alles Grauen wegzaubert, sondern - im Gegenteil – sich mitten darin und durch all dies hindurch ausbreitet, kann sie wirklich trösten. Gottes Ziel mit uns ist das Leben. Und die Zukunft wird nicht dem Corona-Virus gehören, sondern sie steht in Gottes Hand. Der ganze Text: https://www.evangelisch.de/inhalte/168221/03-04-2020/ekd-vize-annette-kurschus-osterbotschaft Das folgende Gebet des Lutherischen Weltbundes stellt uns in die weltweite Gemeinschaft von Christinnen und Christen und stärkt unseren gemeinsamen Glauben: Fürbitten des Lutherischen Weltbundes zu Corona O Gott, unser Heiland, zeige Dein Erbarmen für die ganze Menschheitsfamilie, die gerade in Aufruhr ist und beladen mit Krankheit und Angst. Höre unser Rufen, o Gott. Komm uns zur Hilfe nun, da sich der Coronavirus auf der ganzen Erde ausbreitet. Heile die, die krank sind, unterstütze und beschütze ihre Familien, Angehörigen und Freunde vor Ansteckung. Höre unser Rufen, o Gott. Schenk uns deinen Geist der Liebe und Besonnenheit, auf dass wir zusammenwirken, um die Ausbreitung des Virus und seine Wirkungen einzuschränken und zum Erliegen bringen zu können. Höre unser Rufen, o Gott. Mach uns wach, aufmerksam und vorausschauend im Blick auf die Bekämpfung von Krankheiten überall: die Malaria, das Dengue-Fieber, die HIV-Krankheit und die vielen anderen Krankheiten, die bei Menschen Leid verursachen und für etliche tödlich enden. Höre unser Rufen, o Gott. Heile unsere Selbstbezogenheit und unsere Gleichgültigkeit, wo wir uns nur dann sorgen, wenn wir selbst vom Virus oder anderem Leid getroffen sind. Eröffne uns Wege, aus unserer Zaghaftigkeit und Furcht hinaus, wenn unsere Nächsten für uns unsichtbar werden. Höre unser Rufen, o Gott. Stärke und ermutige die, die im Gesundheitswesen, in Praxen und Krankenhäusern, Pflegeeinrichtungen und anderen Bereichen der Medizin arbeiten: Pflegende, Fürsorgende, Ärztinnen und Ärzte, Klinikseelsorgerinnen und -seelsorger, Mitarbeitende in Krankenhäuser - alle, die sich der Aufgabe widmen, für Kranke und ihre Familien zu sorgen. Höre unser Rufen, o Gott. Inspiriere die Forschenden, die an Impfstoffen, Medikamenten und der Herstellung medizinischer Ausstattung arbeiten. Gib ihnen Erkenntnisse und Weitblick. Höre unser Rufen, o Gott. Erhalte die Menschen, deren Arbeit und Einkommen durch Schließungen, Quarantänen, geschlossene Grenzen und andere Einschränkungen bedroht sind. Beschütze alle, die reisen müssen. Höre unser Rufen, o Gott. Leite die politisch Verantwortlichen, dass sie die Wahrheit sagen und danach handeln. Halte die Ausbreitung von Falschinformation und Gerüchten zurück. Hilf, dass Gerechtigkeit waltet, sodass allen Menschen auf der Erde Heil und Heilung erfährt. Höre unser Rufen, o Gott. Heile unsere Welt. Heile unsere Körper. Stärke unsere Herzen und Sinne. Und in der Mitte des Aufruhrs gib uns Hoffnung und Frieden. Höre unser Rufen, o Gott. In deinen gnädigen Armen halte alle, die gestorben sind und die in dieser Zeit sterben werden. Tröste ihre Hinterbliebenen, tröste die, die verzweifelt sind. Höre unser Rufen, o Gott. Gedenke deiner Familie, der ganzen Menschheit, und deiner ganzen Schöpfung, in deiner großen Liebe. Amen. https://www.landeskirche-hannovers.de/damfiles/default/evlka/frontnews/2020/Maerz/14/Andachten/LWB-Coranavirus-F-rbitten-19d2f53ee80a2fd2e91229615c47d6ad.pdf Ganzheitlicher Dienst in der Kirche: Hingehen, sehen und handeln Eine Bibelarbeit zu Markus 6, 30-44 von Amensissa Ulfata Edossa Die Speisung der 5000 In der Geschichte von der Speisung der 5000 erzählt Markus, wie Jesus sich in einer abgelegenen Gegend am späten Abend von einer großen Menschenmenge umgeben sah (Vers 34). Jesus hatte Mitleid mit den Menschen und beauftragte die Jünger, den Menschen essen zu geben. Die Jünger hatten aber nicht genug dabei für so viele Menschen. Sie schlugen deshalb vor, die Leute sollten in das nächste Dorf gehen und sich dort Brot kaufen. Aber Jesus sagte einfach: “Geht hin und seht nach” (Vers 38), stellt erst einmal fest, wieviel Essen die Leute bei sich haben. Das griechische Wort für “sehen” (idete), bedeutet “findet heraus, nehmt genau wahr”. Im Kirchentagsmotto wird dies mit: Schaut hin! übersetzt. Jesus nimmt die Bedürfnisse wahr Entscheidend ist, wie Jesus vorgeht, um die Bedürfnisse der Menschen “holistisch”, wirklich und in jeder Hinsicht, ganzheitlich, wahrzunehmen. Um die grundlegenden menschlichen Bedürfnisse herauszufinden, nimmt Jesus zunächst die Menschen bewusst wahr, er fühlt mit ihnen, versetzt sich in ihre Lage und erkennt ihre vielfältigen Bedürfnisse. Sie wollen hören, was er über Gott zu sagen hat und sie sehnen sich nach Orientierung. Jesus sieht sie als “Schafe, die keinen Hirten haben” (Vers 34), die Nahrung brauchen, damit sie nicht verhungern. Er identifiziert also die ganzheitlichen Bedürfnisse der Menschen: körperliche Bedürfnisse, spirituelle, emotionale und intellektuelle. Und darüber hinaus geht Jesus einen weiteren Schritt. Auch die Jünger werden aktiv im „holistic ministry“: Jesus bringt die Jünger dazu, sich an dem umfassenden Prozess “holistic ministry” (siehe Kasten am Ende des Artikels) zu beteiligen. “Holistic ministry” bedeutet in diesem Zusammenhang, die Balance zu finden zwischen der Verkündigung des Evangeliums und dem Handeln durch soziale, diakonische und Entwicklungsarbeit, wendet sich allen menschlichen Bedürfnissen in der ganzen Welt zu. Jesus befiehlt seinen Jüngern: “Geht weg von euch selbst” und “öffnet die Augen und schaut hin”(Vers 38), stellt fest, welche Ressourcen zur Verfügung stehen, berichtet das Ergebnis eurer Untersuchung (5 Brote und 2 Fische), verbreitet es und verteilt dann die vorhandenen Ressourcen unter den hungrigen Menschen. Schließlich werden der Prozess und das Ergebnis dokumentiert (5000 Menschen gespeist und 12 Körbe mit den Resten gesammelt). Fundierte Analyse und messbare Ergebnisse “Holistic ministry” erfordert also eine unvoreingenommene Untersuchung der Situation, bei der man die verschiedenen Aspekte des Problems identifiziert, eine Analyse vornimmt, nachprüfbare Ziele definiert und ergebnisorientiert vorgeht. So erzielt man in einem gegebenen Zeitraum konkrete, realistische und messbare Ergebnisse. Die Erfahrung, dass die riesige Menge nicht nur satt wurde, sondern auch noch Körbe mit Resten übrigwaren, könnte darauf hinweisen, dass es eine größere Dimension gibt: Dass dieser ganzheitliche Ansatz zu Erfahrungen der Fülle und Nachhaltigkeit führt, ja sogar ein von Gott gewirkter Ansporn ist, diesen Prozess weiter zu tragen und so die ganzheitlichen Bedürfnisse aller Menschen in der ganzen Welt ohne Diskriminierung zu erfüllen. Durch die Aufforderung “Geht und schaut hin” schenkt Jesus den Jüngern und der Kirche ein Modell, wie ganzheitlicher Dienst auf individueller, lokaler, gesellschaftlicher und globaler Ebene angewendet werden kann. Amensissa Ulfata Edossa ist Mitglied der Oromogemeinde im Ökumenischen Zentrum Christuskirche. Er studierte Theologie am Mekane Yesus Seminar in Addis Abeba. Die Theologie der Mekane Kirche ist vor allem von Gudina Tumsa geprägt. Gudina Tumsa war Generalsekretär der Mekane Yesus Kirche, bis er im Widerstand gegen das DERG-Regime 1979 ermordet wurde. Wir erinnern uns mit großer Bewunderung und Zuneigung an seine Tochter Kulani Gudina, die Mitglied unserer Gemeinde war. Ein zentraler Begriff von Gudina Tumsas Theologie ist “holistic ministry”. Das griechische Wort holos, von dem das Fremdwort “holistisch” abgeleitet wird, bedeutet “ganz, vollständig”. Als deutsche Übersetzung hat sich das Wort “ganzheitlich” eingebürgert. “Ministry” bedeutet eigentlich “pfarramtlicher Dienst” und bezieht sich traditionell auf Predigt und Seelsorge. Infokasten und Übersetzung von Hildburg Wegener _____________________________________________ Besinnung zur Jahreslosung 2020 Ich glaube; hilf meinem Unglauben.“ Gedanken zur Jahreslosung 2020
Von Kirchenpräsident Dr. Dr. h. c. Volker Jung
Glauben gibt Kraft. Viele Menschen erzählen davon, wie sie schwere Zeiten durchgestanden haben. Glauben hat geholfen, in der Zeit der Krankheit nicht vor Angst zu vergehen. Oder in der Zeit der Trauer nicht völlig zu verzweifeln. Jesus hat immer wieder von der Kraft des Glaubens geredet. Das stand sogar ganz im Zentrum seiner Botschaft: Gott ist ein Gott des Lebens, Gott sorgt für euch – auch über den Tod hinaus. Lebt euer Leben im Vertrauen auf Gottes Liebe. Dieser Glaube gibt euch Kraft! Jesus spitzt weiter zu: „Alle Dinge sind möglich, dem der da glaubt.“ (Markus 9,23)
Das sagt er, als ein Mann mit seinem kranken Sohn zu ihm kommt. Der Junge ist stumm und taub und hat epileptische Anfälle – von Kindheit an. Damals war klar: Der Sohn ist von einem bösen Geist besessen. Bei den Jüngern von Jesus hatte der Vater bereits vergeblich um Hilfe gebeten. Jetzt bittet er Jesus selbst. Als Jesus dann sagt, dass denen, die glauben, alles möglich ist, schreit er heraus: „Ich glaube, hilf meinem Unglauben.“ (Markus 9,24) Das bedeutet: Den Glauben, der alles kann, habe ich nicht in mir – aber bitte, hilf mir!
Ich verstehe diesen Mann so gut. Es gibt immer wieder Dinge im Leben, bei denen ich mich sehr hilflos fühle. Da würde ich gerne helfen und kann es nicht. Da möchte ich Menschen erreichen, Mut zusprechen. Aber die Ohren und Herzen sind verschlossen. Mehr noch: Plötzlich sehe ich mich womöglich Hass und Wut gegenüber. Das hat auch der Vater mit seinem Sohn in der biblischen Geschichte erlebt. Als er den Satz her- ausschreit: „Ich glaube, hilf meinem Unglauben“, tritt Jesus für ihn ein. Er heilt seinen Sohn. Jesus zeigt damit: Sein Glaube verbindet ihn ganz eng mit Gott. Und er tritt mit denen, die zu ihm kommen, dem entgegen, was Menschen verzweifeln lässt. Das sind auch die dämonischen Kräfte, die Menschen immer wieder in Gewalt und Tod stürzen.
Die Worte der Jahreslosung begleiten uns in einer Zeit, in der es gut ist zu wissen, wo Kraft herkommen kann, allem Bedrohlichen und Unheilvollen entgegenzutreten. Sich nach dieser Kraft auszustrecken lohnt sich. Die an Jesus gerichteten Worte sind dafür ein gutes Gebet: „Ich glaube; hilf meinem Unglauben.“
Mit herzlichen Grüßen und Segenswünschen
Ihr Volker Jung Besinnung Oktober - November 2019 Ich weiß, daß mein Erlöser lebt… Hiob 19,25 Keine zwei benachbarten Monate im Jahreskreis werden in Vorurteil so unterschiedlich wahrgenommen wie Oktober und November. Der Oktober wird als hell, bunt, angenehm positiv erwartet, während der November mit Dunkelheit, Nebel, Kälte und Leid assoziiert wird. Der Monatsspruch bietet zwei unterschiedliche Aneignungswege, die in den Zuschreibungen zu den Monaten Oktober und November ihre Entsprechung haben. Lesen Sie sich doch einmal ohne Umschweife den Spruch laut vor! – und siehe da: Schon bei den ersten Worten „Ich weiß, daß…“ zögern wir und nehmen die Stimme zurück, so daß die letzten drei Worte kein Gewicht mehr haben. Es kann aber bei Ihnen auch anders sein: Sie erfreuen sich an dem kurzen Satz, wiederholen ihn ohne Scheu und enden in mit „ja, Amen“. Das wünsche ich Ihnen im schönen Herbstoktober. Sie könne damit auch eine eigenen kleine Andacht feiern, indem Sie das Lied Nr. 357 dazu nehmen: „Ich weiß, woran ich glaube“. Der Monatsspruch hat (wie alle) auch seinen Ort in der Bibel; dieser, in etwa der Mitte des umfangreichen Buches, das von dem außerordentlich mutigen und gottesfürchtigen Hiob erzählt, dessen Leben sich nach langen beglückenden Erfolgszeiten in Armut, Einsamkeit und verzehrende Krankheit wandelt. Er ist rat- und trostlos, und Freunde, die raten und trösten wollen, verstören und peinigen ihn zusätzlich mit ihren klugen Reden von außen. Lesen Sie jetzt den Monatsspruch noch einmal! – und Sie können bemerken, wie der Satz seinen Schwerpunkt vom Anfang an den Schluß verlagert hat: „…mein Erlöser lebt.“ Das „ich weiß“ ist kaum noch hörbar, enthält jedoch noch innerliche Widerstandskraft gegen das Aufgeben. Widerstand auch gegen Trost von der Art „es wird schon wieder gut“. Das, was Hiob hält, ist sein Wissen, Glauben Vertrauen, daß ein Erlöser lebt, mein Erlöser lebt, der seine Erlösungstat wann, wie, wo auch immer gewiß ausführt. Wenn Sie dem Monatsspruch auch in seinem Zusammenhang der Hiobserzählung etwas weiter nachgehen wollen, empfehle ich zur Ergänzung das Osterlied Nr. 115 „Jesus lebt, mit ihm auch ich“. Ingo Schumacher Besinnung zum Vaterunser Auf dem Titelbild ist ein Piktogramm zu sehen - ein einfaches Bildsymbol: Ohne Worte ist zu verstehen, dass es sich um einen Treffpunkt handelt, es um einen Sammelplatz geht. Das Vaterunser ist für uns ChristInnen Treffpunkt, Sammelplatz für alle Konfessionen. Wir beten es, weil wir es von Jesus gelernt haben. Ich denke, dass es mehr als ein Leben braucht, um dieses Gebet zu erfassen! Wie gut, dass wir das Vaterunser jeden Sonntag und viele von uns täglich beten. Viele Menschen empfangen so Trost und erfahren Stärkung im oft schwierigen Alltag. Den Blick von sich auf Gott zu wenden, von sich abzusehen, den eigenen Problemen, den eigenen Schwierigkeiten, dazu lädt das Vaterunser gleich am Anfang ein: geheiligt werde dein Name, dein Reich komme. Der Alltag ist im Blick: „Unser tägliches Brot gib uns heute“ Es heißt unser und nicht mein tägliches Brot, all das, was wir zum Leben brauchen und nicht, was wir uns wünschen. Jeden Tag sich neu besinnen auf das unser und das brauchen! Das gilt für das Wir und nicht alleine für das Ich, sondern für alle Menschen, mit denen wir diese Erde teilen. Am 29. September wird in dem gemeinsamen Gottesdienst das Vaterunser im Mittelpunkt stehen. Lassen Sie uns diesen Gottesdienst zusammen feiern zum Lobe Gottes und zur Stärkung der Gemeinschaft. Stimmen Sie sich schon jetzt Tag für Tag dafür ein: beten Sie das Vaterunser, unterwegs und zuhause, alleine und gemeinsam - immer wieder. Möge es stärken im Glauben! Eine gesegnete Zeit wünscht Euch und Ihnen Gisela Egler-Köksal, Pfarrerin ____________________________________________________________________ Am 5. Mai 2019
predigte Pfarrerin Esser-Kapp
(Fachberatung Inklusion) über 1. Korinther 12, 12-27 in unserem gemeinsamen
Gottesdienst mit der Oromogemeinde. Die Predigt wird im Folgenden in Auszügen
abgedruckt. Auf unserer Webseite, unter Inklusion, ist die gesamte Predigt und der Bibeltext,
übersetzt in leichter Sprache, nachzulesen. Liebe Gemeinde, …….. Vorhin haben uns die Kinder einen langen Text vorgelesen. Der Bibelmensch Paulus hat ihn aufgeschrieben. Er hat das in einem Brief gemacht. Den Brief hat er an eine Christengemeinde in Korinth geschickt. Paulus hat seinen Brief in einer schweren Sprache geschrieben. Ich lese mal so einen Satz von Paulus in schwerer Sprache vor:
„Denn wie der Leib einer ist und doch viele Glieder hat, alle Glieder des Leibes aber, obwohl sie viele sind, doch ein Leib sind: so auch Christus. Denn wir sind durch einen Geist alle zu einem Leib getauft, wir seien Juden oder Griechen, Sklaven oder Freie, und sind alle mit einem Geist getränkt.“ Und dann schreibt Paulus was von einem Körper und den verschiedenen Teilen von dem Körper. Er schreibt was von Auge und Fuß und dass keiner allein was sein kann.
Mit dem Bild will er den Menschen in Korinth was erklären. Immer, wenn ich die Worte von Paulus lese oder höre denke ich: wer soll das verstehen?
Gut, dass die Kinder die schweren Worte in leichter Sprache vorgelesen haben. Dann kann man schwere Worte besser verstehen. Deshalb mache ich die Predigt auch in leichter Sprache. Das ist gut für Menschen, die langsam denken. Gut für Menschen, die schlecht Deutsch sprechen oder die schlecht hören können. Was Paulus sagen will ist das: Schaut euch mal an. Hände, Füße, Ohren, Augen – alles gehört zusammen zu einem Körper. Das geht nur zusammen. Nur Ohr allein ist schwierig. Der ganze Körper nur Fuß geht auch nicht. Gott hat alles richtig gedacht. Er hat verschiedene Teile zusammengebracht. Alle haben eine Aufgabe und nur zusammen sind sie der ganze Körper.
Paulus hat einen wichtigen Grund, warum der das mit dem Körper schreibt. Die Gemeinde in Korinth hat Ärger. Die Menschen haben Streit. Die einen denken, dass sie mehr wert sind als die anderen. Aber, sagt Paulus, ihr seid eine Gemeinde. Das ist wie ein Körper mit verschiedenen Körperteilen. Alle gehören zusammen. Jeder hat seine Aufgabe.
Der eine kann gut hören und zuhören. Das ist wie das Ohr von dem Körper. Ein anderer kann gut helfen. Das ist wie die Hand. Vielleicht gibt es eine, die gute Ideen hat. Die den Weg für die Gemeinde kennt. Das können dann die Füße sein. Dann gibt es noch alles, was in dem Körper ist. Also die Verwaltung, der Kirchenvorstand und so. Die kümmern sich, damit der Laden läuft….
Paulus fragt: Wenn der ganze Körper nur aus einem Teil ist, wie wird er dann ein Körper? Und seine Antwort: Nur die vielen Teile zusammen machen den Körper. Alle sind wichtig. Keiner kann allein was schaffen…….
…. Paulus sagt: „Obwohl wir wie Teile von einem Körper sind, gehören wir alle zusammen. Wir sind getauft. Wir sind mit der Kraft von dem Geist von Gott zusammen. Wir alle haben den Geist von Gott in uns………………..
Heute ist der Aktionstag für die Inklusion. Und das bedeutet: Jeder Mensch gehört dazu. Oder wie Paulus sagt: Jeder ist ein Teil von dem Körper und alle gehören zusammen.
Der Tag hat ein Motto: MissionInklusion – die Zukunft beginnt mit dir. Ich glaube, das Motto gefällt Paulus. Mission bedeutet: Von Gott einen Auftrag haben. Im Namen von Gott zu den Menschen gehen und von Gott erzählen. Damit alle Menschen von der Liebe von Gott erfahren und verstehen, wie Gott sich das Leben vorstellt.
Der Aktionstag Inklusion hat auch eine Mission. Ich glaube, das ist ganz im Sinn von Gott und seiner Idee für die Menschen. Körper bedeutet eben: alle und alles zusammen. Menschen mit und ohne Behinderung, alle Menschen haben die gleichen Rechte und Möglichkeiten. Jeder kommt mit seinen Gaben und Aufgaben, jeder ist wichtig. Das bedeutet Inklusion.
Und das meint Paulus wenn er sagt: Wir sind getauft worden. Wir alle haben den Geist von Gott in uns. Weil Gott in der Taufe JA zu unserem Leben sagt. Und das JA von Gott für mein Leben ist unabhängig davon was ich bin oder wie ich bin. Das JA von Gott zu mir ist unabhängig von Sprache, Nation, Bildung oder Behinderung.
Das JA von Gott ist das Gut-sagen für das ganze Leben und für die ganze Schöpfung. Und Gott seine Schöpfung ist sehr verschieden. Sie besteht aus Menschen, die alle verschieden sind. Verschieden begabt, verschieden belastbar, verschieden im Leben und im Glauben.
Es ist normal, dass wir verschieden sind – das ist Inklusion. Alle Menschen haben ihre Gaben und ihre Grenzen. Und manchmal ist es unklar, um was es sich handelt.
Gott hat die Teile von dem Körper, die klein oder schwach aussehen, wichtig gemacht….schreibt Paulus an die Gemeinde….. Amen Pfarrerin Christiane Esser-Kapp Jesus Christus spricht: Siehe, ich bin bei euch alle Tage bis an der Welt Ende. (Matthäus 28, 20)
Diese sehr weitgehende Zusage steht am Ende einer Beauftragung. Der Beauftragung, das Evangelium zu lehren, in die Welt hinaus zu tragen, und zu taufen. Die Jünger, die diese Zusage erhalten, haben irritierende Tage hinter sich. Ihre Führungsperson wurde in einem populistischen Verfahren verurteilt und hingerichtet. Dann erfahren sie, dass er lebendig gesehen wurde und sie auf einem Berg treffen will. Und dort erhalten Sie dann eine Aufgabe globalen Ausmaßes. Stellen Sie sich das in unserer Zeit vor: Sie arbeiten in einer Organisation, die sich menschenfreundliche Ziele gesetzt hat, die in der Öffentlichkeit aber noch wenig Akzeptanz hat. Die Organisation ist in existenzbedrohende Rechtsstreitigkeiten verwickelt. Und der Vorstand verkündet im kleinen Kreis die Aufgabe, die Ideen und Prinzipien auf alle Kontinente dieser Erde zu bringen. Die wenigsten werden vermutlich bereit sein, sich kopflos und auf sich alleine gestellt ins Abenteuer zu stürzen. Ohne Unterstützung und aktive Begleitung durch die Führungskräfte wird der Erfolg ausbleiben. Nicht „Management“ aus der Ferne mit ein paar aufmunternden WhatsApp-Nachrichten oder E-mails, sondern „Führung“ durch Vorangehen und Miterleben der Herausforderungen sind der Schlüssel zum gemeinsamen Erfolg. Deshalb gibt es auch „Bergführer“ und keine „Bergmanager“. Diese Zusage „Siehe, ich bin bei euch alle Tage bis an der Welt Ende.“ will uns stark machen gegenüber Herausforderungen in unserem eigenen Leben. Wenn wir belächelt werden, dass wir immer noch nicht aus der Kirche ausgetreten sind. Wenn wir als weltfremd bezeichnet werden wegen der Einforderung des Prinzips der Nächstenliebe in unbequemen Alltagssituationen und politischen Fragestellungen. Wenn wir einen neuen Anlauf nehmen müssen, weil wir mal wieder an unseren eigenen hohen Ansprüchen gescheitert sind. Der Satz „Siehe, ich bin bei euch alle Tage bis an der Welt Ende.“ schafft Vertrauen – nicht nur in die eigenen Kräfte, sondern auch in die Unterstützung durch andere. Als Christen wissen wir, dass wir nicht tiefer fallen werden als in die helfenden Hände Gottes. Die helfenden Hände Gottes begegnen uns auch in anderen Menschen. Eine Freundin aus Chicago, die vor 3 Jahren nach Palästina ging, um 2 Jahre lange eine kirchliche Schule administrativ und pädagogisch zu unterstützen, hat daraus in besonderem Maß Kraft bezogen. Ihr Leitspruch „Believe in the kindness of strangers“ (Glaube an die grundsätzliche Gutwilligkeit von Fremden) hat ihr viele beglückende Begegnungen und Unterstützung in allen Lebenslagen gebracht. Bei kraft-spendenden Vertrauens- und Begleitungszusagen erinnere ich mich an eine Aufgabe in einem Organisations-Workshop meines früheren Arbeitgebers. Dort wurden wir zu einer Vertrauensübung eingeladen. Wir sollten uns auf einen Stuhl stellen mit der Lehne vor uns. Die Kollegen stellten sich in Spalierform hinter dem eigenen Rücken auf und ergriffen vom jeweils Gegenüberstehenden beide Hände. Die Aufforderung an den auf dem Stuhl stehenden, sich rücklings in die Arme der Kollegen fallen zu lassen, hat die meisten erst einmal zögern lassen. Nur ein Drittel konnte sich wirklich in die Arme der Kollegen fallen lassen. Auch mich kostete es Überwindung, die sichtbare Unterstützungszusage anzunehmen. Die Annahme dieser Zusage und die „Landung“ in den Armen der Kollegen empfand ich persönlich unendlich befreiend und beglückend. Klaus Seifert
Besinnung Februar - März „Suche Frieden und jage ihm nach!“(Psalm 34,15) Das Aufregendste und Schönste an Ostern war in meiner Kindheit für mich das Suchen: die Chance etwas zu finden, wenn ich mich auf die Suche mache, ein unwiderstehlicher Reiz, die Spannung, etwas zu finden, von dem ich noch kein konkretes Bild habe, wohl aber eine vorgeprägte Ahnung: Ei, Hase, Schokolade oder eine andere Kleinigkeit, was werde ich finden? Und natürlich das Urvertrauen: ich werde etwas finden, kein Zweifel, dafür haben meine Eltern schon gesorgt, daß ich nicht leer ausgehe. Der Lohn der Suche war garantiert. Heute gibt es die Leichtigkeit dieser Garantie nicht mehr. Heute ist Suchen anstrengend, ich brauche Ausdauer, Geduld, Hoffnung, Ahnung, Neugier, Vertrauen. Ich brauche die Vorfahren meines Vertrauens auf Gott, zum Beispiel den Psalmschreiber der Jahres-losung, zum Beispiel Jesus, der sein Leben lang nichts anderes getan hat, als die Menschen, seine Nächsten, auf den Weg des Friedens zu locken. „Suchet, so werdet ihr finden.“ (Matthäus 7,7), eine unglaubliche Garantie. Beim Stichwort „Frieden“ denke ich an die Friedens-taube, an die von Picasso, die bei mir an der Wand hängt, und an die zu Zeiten der Friedensbewegung und der Friedensmärsche vielfach aus Papier gefalteten. Oft hat es, so scheint es mir, nicht wirklich weiter geholfen. In diesem Zweifel habe ich die Friedenstaube von Picasso erweitert um den Kriegsfalken und das Faustrecht. Ist der Frieden eine unendliche, unerfüllbare Geschichte, ein kindlicher Traum? Mag sein. Aber Jesus hat daran geglaubt, Mahatma Gandhi hat daran geglaubt, Martin Luther King hat daran geglaubt, John Lennon hat daran geglaubt: „Du kannst sagen, ich sei ein Träumer. Aber ich bin nicht der einzige. Ich hoffe, wir tun uns zusammen, eines Tages, und die Welt wird leben, als sei sie eins.“ (Imagine, Refrain) Die Friedenstaube ist stark, sie weiß, daß sie schneller fliegen kann als der Kriegsfalke. Die Chance die Taube zu packen hat dieser nur, wenn die Taube krank ist oder unaufmerksam. Und nur, wenn er sie im Sturzflug angreifen kann. Die Taube ist auf den grünen Zweig gekommen, und so jagt sie mit dem Zweig im Schnabel dem Frieden nach, unbeirrt. Während ich diese Zeilen schreibe, wird im Bundestag über den Haushalt für 2019 debattiert, Wirtschaft, Finanzen, Soziales, Verteidigung. Einen Friedensetat gibt es nicht, ein Friedens-ministerium auch nicht. Warum denn nicht? Es müßte doch mit an erster Stelle stehen. Oder wäre das zu peinlich, wenn wir in Deutschland ein solches Ministerium schaffen würden? Wir leben in Europa im Frieden, so wird uns oft gesagt, aber damit ist nur die Abwesenheit von militärischem Krieg gemeint, aber das ist nur die halbe Wahrheit, also die Unwahrheit. Wo ist er denn der behauptete Frieden? Oder gehört etwa zum Frieden das, was als Spaltung der Gesellschaft benannt wird, kennt der Frieden, was wir die sich erweiternde Schere zwischen Arm und Reich nennen? Es ist nicht meine Vorstellung von Frieden, auch nicht die von Jesus und seinen jüdischen, christlichen oder sonstigen Nachfolgern. Ich wünsche Euch eine täglich neue Hoffnung für das neue Jahr und den Frieden, den es uns näher bringt, solange wir suchen. Holger Mingram
Besinnung Dezember Da sie den Stern sahen, wurden sie hocherfreut. Matthäus 2, 10
Die Weisen aus dem Morgenland sind erst einmal in die Irre gegangen. Ihre vorgefassten Meinungen und Vorurteile führten sie zuerst nach Jerusalem. Sie suchten den neugeborenen König im Palast von König Herodes - vergeblich. Eine von König Herodes den Schriftgelehrten verordnete Bibelarbeit, bringt Klarheit. Die Weisen erfuhren, wohin sie gehen mussten. Voller Hoffnung machten sie sich wieder auf den Weg. Sie waren auf der richtigen Spur, auf dem Weg in das kleine Bethlehem. Da sie den Stern sahen, wurden sie hocherfreut.
Ein Stern ist von uns aus gesehen klein. Es muss genau hingeschaut werden, damit er klar sichtbar wird und vor allem, um den „einen“ unter den vielen Wegweisern zu erkennen. Ich träume davon, dass wir als Gemeinde miteinander auf dem Weg bleiben, dass wir offen nach vorne sehen können - auch wenn die eingeschlagene Richtung einmal nicht gleich zum Ziel führt, wenn Erwartungen nicht erfüllt werden. Ich träume davon, dass es immer wieder diese Augenblicke geben wird, Sternstunden, wenn wir zusammenhalten: Enthusiastischer Aufbruch, Verirrung, Korrektur und endlich ein Ziel erreicht wird, eine Hoffnung sich erfüllt, Gottes Leiten spürbar wird und Freude sich ausbreitet. Ich träume davon, dass wir die Freude der Weisen aus dem Morgenland in unserer Gemeinde gemeinsam feiern, dass sie zu unserer gemeinsamen Erinnerung wird, zu einer wegweisenden Erinnerung. In Bethlehem brauchten die Weisen den Blick eines offenen Herzens, um in der Hütte mit dem Neugeborenen und seinen Eltern das Besondere zu sehen: Das Bedeutende in dem Unbedeutenden, in dem Hilflosen eine Hilfe zu sehen, im Kleinen bereits das Große, das Schwache zu schätzen.
Auch heute begegnet uns Gott oft ganz anders, als wir erwarten. Es braucht den Mut, vorgefertigte Bilder und lang gehegte Vorstellungen zu korrigieren. Gut, wenn wir dann auch „Hinweisschilder“ finden: in der Bibel, im Gebet, im Gespräch. Und dann dem wahren Stern freudig folgen. „Gott befahl ihnen (den Weisen) im Traum, nicht wieder zu Herodes zurückzukehren”. Da „zogen (sie) auf einem anderen Weg wieder in ihr Land.“ (Matthäus 2,12) Ja, die Traum-Seher dachten nicht im Traum daran, nach Jerusalem zurückzukehren. Sie wollten nicht König Herodos und seinen selbstherrlichen und zerstörerischen Macht-Träumen dienen. Sie zogen einfach auf einem anderen Weg heim. Sie folgten auch hier den Wegweisungen Gottes. Eine erwartungsvolle Adventszeit, ein wundervolles Weihnachten und ein segensreiches Jahr 2019, gefüllt mit der Freude über den wegweisenden Stern wünscht Euch und Ihnen Pfarrerin Gisela Egler-Köksal
Besinnung November Predigt zum Festgottesdienst zum 40 jährigen Geburtstag des Ökumenischen Zentrums Christuskirche am 23.9.2018:
Liebe Brüder und Schwestern, 1. Die Kirche ist für uns Christinnen und Christen der Dreh- und Angelpunkt unseres Lebens. Hier werden wir getauft. Hier erhalten wir die Kommunion oder Konfirmation. Einige heiraten hier. Hier weinen wir um unsere Verstorbenen. Hier lassen wir in der Beichte oder im Gespräch mit anderen, die Geschichten unseres Lebens. Hier begegnen wir Menschen unserer und anderer Kulturen und stehen im Dialog zueinander. Es ist wie in der Geschichte, in der der in Kafarnaum lebende Christus nach Nazareth reist und seinem gewohnten Tagesablauf nachgeht. Am Sabbat geht er selbstverständlich in die Synagoge. Er trifft Freunde aus Kindeszeiten. Menschen mit denen er arbeitete, lebte und lachte. So auch wir. Wenn wir in die Kirche gehen, kommen wir „nach Hause“. Wir treffen, auch wenn wir weit von unserem Heimatland entfernt sind, Alltägliches wieder. Dieses Stück zu Hause teilen wir uns mit Menschen, die sich in Kultur, Sprache und Ritus gleichen, aber auch mit Menschen, die sich unterscheiden. Doch die Kirche macht etwas sehr Besonderes mit uns: Sie sprengt Barrieren. Barrieren, welche in Zeiten von populistischer Politik und rassistischer Ideologie wiederaufgerichtet werden. Lassen Sie uns diese Trennlinien überwinden und die Grenzen nicht mehr dort ziehen, wo eine kleine Minderheit sie haben möchte. Denn Christus hat gezeigt, wie man Grenzen überwindet.
2. Deswegen betrachten wir jetzt Jesus in der Synagoge, welcher die Schriftrolle an sich nimmt und die Jesaja-Stelle vorträgt. Er steht vor einem Publikum von Menschen, welche ihm wohlbekannt sind. Lange Zeit sahen sie diesen Jesus nicht und plötzlich steht er auf und darf aus der Schriftrolle lesen und predigen. Ein großes Privileg! Die Synagoge war ihm vollkommen zugewandt, als er sich auf den Predigerstuhl setzte. Versetzen wir uns einmal in die Lage der Gläubigen: Was sollen sie von einer Person erwarten, welche sie lange Zeit nicht gesehen haben. Was hat dieser Jesus in der ganzen Zeit gemacht? Was würde er jetzt sagen? Wird er viel erzählen? Wird es hilfreich sein oder nicht hilfreich? Er war ihnen fremd geworden. Und jetzt, wo die Erwartungen nach dem Jesaja-Text festgelegt wurden, predigte Jesus nur ein paar Worte. Stellen Sie sich einmal vor, ich würde heute mit solch‘ einer Predigt vor Ihnen stehen. Es würde merkwürdig klingen. Vielleicht würden Sie sogar sagen „Das war gar keine Predigt“. Aber diese wenigen Worte sprachen mehr, als jede lange Predigt hätte fassen können. Jesu‘ Predigt. Das volle Evangelium, die wichtigste Botschaft der Welt überhaupt. Das Jesaja Wort war heute erfüllt worden, weil der prophezeite Gesalbte mitten unter den Hörern war. Jesus ist es der Gesalbte, der Armen das Evangelium predigt. Ob dem Obdachlosen oder den im Glauben verarmten. Er machte die physisch Blinden sehend und er gab den geistlich Blinden die Fähigkeit, die Liebe Gottes zu erkennen. Er hat sich vor allen in der Synagoge offenbart, an jenem Ort, an dem sich die Menschen zu Gottes Ehren versammelten. Verstanden haben die Wenigsten, dass mit einem kleinen Satz alle Barrieren gesprengt wurden.
3. Lassen Sie uns noch über das Hier und Jetzt sprechen. In der heutigen Bibelstelle betont der Autor das „Heute“ in besonderer Form. Nicht gestern, nicht morgen, sondern HEUTE hat sich das Wort erfüllt. Genau darauf kommt es an. Lassen Sie uns vertrauen, auf das Jubeljahr, das Gott für den Menschen aus Liebe ausgerufen hat. Deswegen lassen Sie uns unbesorgter durch das Leben gehen. Stellen wir uns nicht die Frage „Wird der Andere mich verstehen?“ oder „Wird der Andere mich akzeptieren?“. Lassen Sie uns heute weiter aufeinander zugehen und uns Geschichten über unsere Kulturen erzählen und einander zuhören. Auf Gott vertrauen heißt, seine Sorgen und Ängste loszulassen und ganz auf ihn zu vertrauen, auch auf seine Worte in der Synagoge. Christi vertrauen taten die Menschen nach der Antrittspredigt in Nazareth nicht, sondern sie verurteilten ihn für seine Worte. Christus bewies in seinen Wundern, dass er Gottes Sohn ist und trotzdem glaubten Sie ihm nicht. Und selbst als er sich in Nazareth offenbarte und mit wenig Worten so viel sagte, waren sie verwundert und skeptisch. Also lassen Sie uns nicht den gleichen Fehler machen, sondern heute glauben und vertrauen. Besonders darauf, dass diese Gemeinschaft in dieser Kirche von Gott geschenkt ist, denn das Wunder der Gemeinschaft ist heute getan und wir sind Zeugen. Denn durch die Gemeinschaft, sprengt Christus alle Barrieren. 4. Um auf den vierten Punkt zu kommen: Wissen Sie, was ein Jubeljahr oder Gnadenjahr ist? Sie kennen sicher die Redewendung „alle Jubeljahre“. Ein Jubeljahr war im alten Israel ein Erlassjahr oder Gnadenjahr nach 49 normalen Jahren. Im Jubeljahr mussten in Israel die Sklaven frei gelassen werden. Der Prophet Jesaja hatte nun angekündigt, dass der verheißene Messias ein besonderes und universelles Gnadenjahr mit sich bringen wird, wo alle Menschen frei werden. Deswegen begab sich Christus in die Synagoge. Es war in jenem Moment, als das Jubeljahr von Christus selbst ausgerufen wurde. Im Lateinischen heißt das Gnadenjahr auch „annus iubilaeus“ – das Jahr des Freudenschalls. Lassen Sie uns jedes Jahr ein „annus iubilaeus“ gemeinsam feiern, so auch heute zum 40. Jahrestag des Ökumenischen Zentrums Christuskirche. Hier, in den Gemeinden und in dieser Kirche, unserem aller zu Hause, werden HEUTE die Barrieren abgebaut. Und lassen Sie uns bekennen und bejubeln, was wir ohnehin schon glauben: Christus kam auf die Erde, um das Wort zu erfüllen und das Jubeljahr auszurufen. So wie er es gesagt hatte. Alexander Radej
Ökumenisches Zentrum Christus-Kirche 40 Jahre Geburtstag feiern – was heißt das? - Auszüge
Viele Kinder und Erwachsene, die hier sitzen, sind im Ökumenischen Zentrum getauft worden, manche hatten hier ihre Konfirmation, viele wurden hier getraut, und um Familienangehörige und Freunde haben wir gemeinsam getrauert und unseren Verlust vor Gott gebracht. Heute feiern wir Geburtstag – vor 40 Jahren haben Christen dieses Zentrum gegründet. Geburtstag feiern, meint auch sich freuen
darüber, dass Menschen vor 40 Jahren dieses Zentrum gegründet haben. Wir freuen uns über das Zuhause, das viele hier gefunden haben, für eine bestimmte Zeit oder die ganzen 40 Jahre. Wir erinnern an diejenigen, die hier waren und nun jetzt an einem anderen Ort sind. Lasst uns daran erinnern, wie Solidarität und Gebet halfen gerade in den schwierigen Zeiten, als Kriege und Krisen in den ursprünglichen Heimatländern das Zusammenleben auch im Ökumenischen Zentrum schwer machten. Ich möchte uns an die Worte von Philipp Potter erinnern, die aus seiner Festpredigt anlässlich der Einweihung unseres Zentrums stammen: „Die Kirche (Ökumenisches Zentrum Christuskirche) soll in Frankfurt der Ort sein, wo alle willkommen geheißen werden im Namen Jesu Christi. So soll sie ein Beispiel geben in der Stadt Frankfurt, dass sie – die Kirche – wirklich diesem Herrn gehört. Und eben deshalb allen gehört. Und dass wir dann alle der Ort werden, wo Gott gegenwärtig ist.“ Dem möchte ich jetzt nachgehen. Ganz praktisch indem wir uns gemeinsam dieses Tuch anschauen. Was sehen wir hier?
Ein gelbes Tuch auf dem ein schwarzer großer Kreis gemalt ist. ![]() Ein Kreis, in dem Bilder hängen, ganz unterschiedliche, mit Motiven, mit Mustern, mit Texten, einfarbig und bunt, verschiedene Größen – so unterschiedlich, wie wir sind, als Einzelne und auch als Gemeinden. Manche hängen eng zusammen, zwischen anderen ist ein Zwischenraum, einige gehen über die Grenze des Kreises. Manche sind weit voneinander entfernt, manche ganz nahe beieinander. Es ist noch Platz im Kreis. Wir sind die vielen Blätter auf dem Tuch, wir sind hier, weil wir Teil dieses Kreises sind, der Ökumene – des bewohnten Erdkreises – Gott hat uns auf diese Welt, dargestellt durch dieses Tuch, als Blätter zusammengesetzt, es ist Gottes Wille – hier das Bild des Erdkreises. Paulus nimmt das Bild von einem Körper auf, darin sind wir unterschiedliche Körperteile und Jesus ist unser Haupt. Wenn wir es uns aussuchen könnten und dürften, würden wir uns wahrscheinlich anders zusammenfinden, vielleicht eher in einem Kreis mit gleichen Mustern, Farben, Motiven, Vertrautem und Bekanntem. Aber Gott wollte es anders. Er hat uns in dieser Unterschiedlichkeit geschaffen und uns aufgetragen, als Geschwister zusammenzuleben. Doch gerade in Zeiten der Krisen merken wir, wie gut es ist, dass wir einander haben. Ich erinnere mich an die großen Überschwemmungen vor einigen Jahren in Serbien. Viele Verwandte und Freunde der serbisch-orthodoxen Gemeinde waren betroffen. Wir, die anderen Gemeinden, konnten zumindest ein wenig mithelfen, Geld sammeln, bei Lebensmittelsammlung Sachen mitbringen, für die Betroffenen beten – deutlich machen, dass wir nicht alleine sind und nicht alleine handeln müssen. Ich erinnere an die Zeiten der politischen Unruhen in Äthiopien, in denen viele Sorgen hatten, um ihre Verwandten, um ihre Freunde. Da versuchten wir auch einander beizustehen. Das café deutschland bietet Woche für Woche Unterstützung an. Und die Rechtshilfe ist seit 40 Jahren ein Ankerpunkt für Geflüchtete und Einwanderer, die Rechtshilfe benötigen. Wir teilen den Raum, je nach sich ändernden Anforderungen des Tages. Oft vergessen wir, dass wir als einzelne Personen mitwirken dabei, dass wir alle hier unser Zuhause finden und es jeden Tag neu gestalten mit allen Schwierigkeiten und Konflikten. Denn die Kirche gehört Gott und damit allen. Und alle werden im Namen Jesu Christi willkommen geheißen. Und das wir dann alle der Ort werden, wo Gott gegenwärtig ist. So hat es Phillip Potter 1978 gesagt, und dies hat nichts an seiner Aktualität verloren. Das friedliche Zusammenleben in Deutschland ist gefährdet. Immer mehr Menschen, die Entscheidungen über uns fällen, hetzen Menschen gegeneinander. Sie versuchen ein Klima der Angst und des gegenseitigen Misstrauens zu schaffen. Sie finden Gehör bei vielen Menschen. Wir brauchen gerade heute so dringend Orte, die eine Botschaft verkündigen, die besagt: Hier ist der Ort für alle – das ist Gottes Willen. Zum Schluss bitte ich Sie auf unser Logo anzuschauen: Die Kirche wird als Boot auf dem Weltmeer dargestellt und der Mast hat die Form des Kreuzes. Diese frühchristlichen Symbole der Kirche verkörpern Glauben und Einheit und vermitteln die Botschaft der ökumenischen Bewegung. Wir alle sind seit 40 Jahren mit diesem Boot unterwegs. Möge Gottes Geist wehen - Halleluja!Pfarrerin Gisela Egler-Köksal Besinnung September-Oktober
Gott hat alles schön gemacht zu seiner Zeit, auch hat er die Ewigkeit in ihr Herz gelegt; nur dass der Mensch nicht ergründen kann das Werk, das Gott tut, weder Anfang noch Ende. Prediger 3,11
„Gott hat die Ewigkeit in das Herz der Menschen gelegt“ – dieser Satz fasziniert mich und begleitet mich seit Tagen. Ich habe andere gefragt, was ihnen dazu einfällt. Den meisten fällt nach einer Weile etwas ein, sehr Verschiedenes. „Das Wissen, dass wir mehr sind als die Tiere, mehr als nur Natur.“ „Dass wir über die eigene Lebenszeit hinaus denken können sollen.“ „Die Sehnsucht nach einer anderen, heilen Welt, die nicht so grau und brutal ist.“ „Ein Gefühl von Weite und Schönheit, es lässt mich nach Gott fragen.“ „Dass ich immer mal wieder anhalte und denke: Das kann doch nicht alles gewesen sein.“ „Die Ewigkeit ist schon jetzt in meinem Herzen, beginnt bereits hier und jetzt, das lässt mich bewusst leben.“ Und schließlich: „Dass ich in meinem Leben auf Gott zugehe und eines Tages ankommen werde.“ Der „Prediger“, offenbar ein älterer Mann aus dem 3. Jahrhundert vor Christus, hat einen ziemlich nüchternen Blick auf diese Ewigkeit. In dem Gedicht „Alles hat seine Zeit“ (3, 1-9), das die meisten sicher kennen, sagt er: „Geboren werden hat seine Zeit, sterben hat seine Zeit … pflanzen hat seine Zeit, ausreißen hat seine Zeit … lachen hat seine Zeit, weinen hat seine Zeit. … Streit hat seine Zeit … Friede hat seine Zeit.“ Und schließt: „Man mühe sich ab, wie man will, so hat man keinen Gewinn davon.“ Ist das resignativ? Oder weise? Oder einfach realistisch? Der Grundsatz, dass die Menschen eines Tages den Preis ihrer Mühen bekommen, hat sich in seinem Leben jedenfalls nicht bestätigt. Er fährt dann nachdenklich fort: „Ich sah die Arbeit, die Gott den Menschen gegeben hat, dass sie sich damit plagen.“ (3,10) Aber er sieht auch: „Gott hat alles schön gemacht zu seiner Zeit.“ Schön ist, was der Prediger um sich herum sieht – Weinberge, Olivenhaine, Weiden voller Schafe, und die Menschen, die sich dort plagen, die pflanzen und ausreißen, lachen und weinen. Wir sehen und wissen heute noch mehr, verstehen die Bedeutung von fruchtbarem Boden, die genetische Struktur von Trauben und Oliven, das Zusammenspiel der Organe im menschlichen Körper, die Bauteile eines Atoms und das Kreisen der Planeten um die Sonne. Ja, das ist schön. „Zu seiner Zeit“ ist allerdings mehrdeutig. Ist alles dann schön, wenn es, wie es in dem Gedicht heißt, zur jeweils passenden Zeit und nicht zur Unzeit geschieht? Das ist sicher auch gemeint. Oder verweist der Prediger hier auch auf Gottes Zeit, den ersten Ursprung aller Dinge? „Gott hat alles schön gemacht“, erinnert ja an die Schöpfungsgeschichte: „Gott sah, dass es gut war.“ Das Verhältnis von Gottes Zeit und unserer Zeit ist ja ein wichtiges Thema in unserem Vers. Warum sagt der Prediger dann aber „schön“, und nicht „gut“? Schön und Gut nannte man zur Zeit des Predigers das höchste Ideal für alles menschliche Tun. Für den Prediger ist alles aus seiner realistischen Lebenshaltung heraus schön, ja. Aber ist es deshalb auch gut, in jeder Hinsicht perfekt? Ist das Weinen, Sterben, Streiten immer auch gut? So weit will er wohl nicht gehen. Denn, so schließt er den Vers, unser Wissen ist jedenfalls begrenzt. Wir können Gottes Wirken nicht ergründen. Vielleicht bedeutet die Ewigkeit in unseren Herzen aber, das wir trotz allem darauf vertrauen, dass sich in Gottes Zeit das Ganze als schön und gut erweisen wird. Und dann schließt der Prediger den Kreis zu der Einsicht, dass man sich abmühen kann, wie man will, aber daraus keinen Gewinn hat. Da merkte ich, dass es nichts Besseres dabei gibt als fröhlich sein und sich gütlich tun in seinem Leben. Denn ein jeder Mensch, der da isst und trinkt und hat guten Mut bei all seinem Mühen, das ist eine Gabe Gottes. Das könnte als Aufforderung zu einem selbstzufriedenen genusssüchtigen und egoistischen Leben verstanden werden. Andere Übersetzungen haben deshalb lieber „und Gutes tun“ statt „und sich gütlich tun“ geschrieben. Der hebräische Text kann so oder so gedeutet werden. Wörtlich wäre: „Es gut machen“. Man müsste sich also nicht entscheiden, sondern könnte versuchen, beidem Raum geben in aller täglichen Mühe. Ich halte es gern mit Luther und sage: Ein gutes Leben ist eines, das den Anderen und mir gut tut, in dankbarer Annahme der guten Gaben Gottes und mutigem Vertrauen auf Gottes Ewigkeit. Hildburg Wegener Besinnung Juni
Pfingsten! Erinnern wir uns: Da kommt ein heiliges Feuer über die ersten ChristInnen in Jerusalem, eine Begeisterung. Plötzlich können sich Menschen über alle Sprachgrenzen verstehen.
Griechisch und Lateinisch, Arabisch und Hebräisch und viele Sprachen mehr – eigentlich müsste das doch im heillosen Stimmengewirr enden. Aber jetzt: die Sprachen bleiben unterschiedlich – und doch – jeder versteht jeden… Pfingsten! Der Heilige Geist sorgte beim ersten Pfingstfest dafür, dass unterschiedliche Sprachen nicht mehr trennen. Die Sprachmauern sind hinweggefegt. Sich gegenseitig verstehen und sich verständigen zu können, das ist gerade das, was wir heute brauchen. Pfingsten! Die Römer bleiben Römer, und die Griechen bleiben Griechen. Unterschiede müssen nicht zu Feindschaft und Gewalt führen. Das System der römischen Herrschaft machte alles, um die Menschen einander zu entfremden, zu Feinden und Konkurrenten zu machen. Die Menge verwirrt und bestürzt mit dieser Erfahrung: „Sie entsetzten sich aber alle und waren ratlos und sprachen einer zu dem andern: Was will das werden?““ (Apostelgeschichte 2,12.) „Was will das werden?“ “Welche Richtung wird diese Geschichte nehmen, wohin geht die Reise? So fragen diejenigen, die auf ihre Erfahrungen bauen und diese als alleiniges Fundament für Entscheidungen akzeptieren. Ihre Frage ist: „Habt ihr das auch zu Ende gedacht?" Eine Stimme in
der Pfingstgeschichte erhalten so auch die Menschen, die dieses Geschehen der
frühen Kirche skeptisch begleiteten. Und auch jene, die heute jede größere Begeisterung mit Zögern begleiten, weil sie
wissen, dass der Gegenwind schon kommen wird. Ihre Erfahrung sagt ihnen, dass
jede Einigkeit wieder im Streit und Kompetenzstreitigkeiten münden wird. „Was will das werden?“ – „Ich weiß es nicht. Es liegt in eines anderen Hand.“ So lautete und lautet die ehrliche Antwort dazu. Wir wissen nicht, ob es gelingt, dass endlich Frieden wird in der Welt. Wir wissen nicht, welchen Weg die Kirchen nehmen werden. Oder ganz konkret wie die Zukunft unserer Gemeinde und des Ökumenischen Zentrums Christuskirche aussehen wird. Pfingsten! Es ist richtig und wichtig ist, die Frage zu stellen: „Was will das werden?“ Und sie nicht einfach wegzuwischen. Sondern sie ernst zu nehmen. Drüber nachzudenken. Darüber miteinander zu sprechen. „Was will das werden?“, bedeutet querzudenken, die Themen, auch wenn sie kontrovers sind, auf den Tisch zu legen. Erfahrungen und Wirklichkeiten zu beschreiben, sich auch unangenehmen Fragen zu stellen. Auch die manchmal so klein erscheinende Kraft zu benennen, sie vor Gott und die Gemeinde zu bringen. Sich gegenseitig verstehen und sich verständigen zu können, das ist das Geschenk von Pfingsten auch für uns heute! Das Verstehen untereinander geschieht nicht von innen, von der Gesellschaft auch nicht von der Gemeinde heraus, es ist der Heilige Geist, der die Menschen neu in Beziehung setzt und Richtungen und Wege aufzeigt, die wir ohne Gottes Geist nicht im Blick hätten. Wir werden verbunden durch etwas, über das wir selbst nicht verfügen können Gottes Geistkraft stiftet die Gemeinschaft: Komm Heiliger Geist, mit deiner Kraft, die uns verbindet und Leben schafft!“ Ein gesegnetes Pfingstfest und ein Leben in Gottes Geist wünscht Ihnen Ihre Pfarrerin Gisela Egler-Köksal Besinnung März 2018 Jesus Christus spricht: Es ist vollbracht! Joh 19,30
... so lauteten nach dem Johannesevangelium die letzten Worte vom Kreuz herab.
... so lauteten nach dem Johannesevangelium die letzten Worte vom Kreuz herab.
Ganz unterschiedlich zitieren die Evangelisten Jesus in seinen letzten Minuten. Von den „Sieben letzten Worten“ ist üblicherweise die Rede. Bei Matthäus und Markus bricht aus dem sterbenden Körper der Schmerzensschrei heraus: „Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen? Von Lukas sind drei Verse unter den sieben vertreten: Jesus aber sprach: „Vater, vergib ihnen; denn sie wissen nicht was sie tun!“ (Lukas 23,34); „Wahrlich, ich sage dir: Heute wirst du mit mir im Paradies sein.“ (Lukas 23, 43); „Und Jesus rief laut: Vater, ich befehle meinen Geist in deine Hände!“ (Lukas 23,46). Johannes kommt ebenfalls dreifach vor: „Als nun Jesus seine Mutter sah und bei ihr den Jünger, den er lieb hatte, spricht er zu seiner Mutter: Frau, siehe, das ist dein Sohn! Danach spricht er zu dem Jünger: Siehe, das ist deine Mutter!“(Johannes 19, 26-27); „Danach, als Jesus wusste, dass schon alles vollbracht war, spricht er, damit die Schrift erfüllt würde: Mich dürstet.“ (Johannes 19,28) und „Als nun Jesus den Essig genommen hatte sprach er: Es ist vollbracht! und neigte das Haupt und verschied.“ (Johannes 19,30) – so das vollständige Zitat des Monatsspruchs für den April 2018.
Letzte Worte sind oft geflügelte Worte, sie sollen noch einmal die Essenz einer Persönlichkeit, eines Lebens auf den Punkt bringen. Scheinbar Divergierendes haben die Evangelisten niedergeschrieben. Widersprüchlich ist es damit noch lange nicht. Ohne diese sieben so unterschiedlichen Ausrufe ist der Kreuzestod schwer vorstellbar, erst durch die verschiedenen Darlegungen werden Jesus und seine Beziehung zu Gott verständlich: Erschütterte Hinwendung zum Vater bei Matthäus und Markus – menschlich zutiefst nachvollziehbar. Bei Lukas Vertrauen in den Vater, Fürsorglichkeit und Bitte um Vergebung für die Schuldiggewordenen – eine konsequente Fortsetzung der Lebenslinien. Und nun Johannes: Hier kümmert er sich um das Schicksal seiner Mutter nach seinem Ableben, erweist sich ein letztes Mal als Mensch – mit Durst und dann dieser Ausruf: „es ist vollbracht!“ - die irdische Existenz beendet, ohne Punkt, mit Ausrufezeichen.
„Es ist vollbracht!“ – das klingt nach „erledigt, Auftrag erfüllt“. Jesus war aber kein Außerirdischer, der gesandt wurde unter das Weltenvolk. Er war kein Konstrukt und auch kein Luftwesen, sondern eines aus Fleisch und Blut, inmitten der Menschen, zugewandt ihren Ängsten und Hoffnungen, ihren Sehnsüchten und Zweifeln. Ohne das Kreuz macht die Krippe keinen Sinn und umgekehrt. Nie ist der Mensch existenzieller als am Anfang und am Ende. Das haben wir selber erlebt: Mit einem Neugeborenen im Arm, am Bett eines Sterbenden. Und so auch Jesus. -Bettina Behler Besinnung Februar 2018 Gott spricht: Ich will dem Durstigen geben von der Quelle des lebendigen Wassers umsonst (Offenbarung 21, 6) Umsonst? Kann das sein? Darf das sein? Klingt zumindest sehr provokant in einem Land, das mittlerweile Geflüchteten auf gesetzlicher Grundlage Geld und andere Wertgegenstände abnimmt als vorauseilende „Gegenleistung“ für die Unterbringungskosten. „Keine Leistung ohne Gegenleistung“ ist in unserem Land in den meisten Lebensbereichen das Prinzip. Selbst bei Geschenken rechnen viele mit dem eingeschätzten Wert als Richtschnur für ein „Gegengeschenk“. Verräterische Wortfindung. Die Vision vom „Wohnen Gottes unter den Menschen“, aus der die Jahreslosung 2018 stammt, stellt eine kühne Forderung in den Raum. „Wasser als Menschenrecht“ hat es bisher noch nicht in die Regierungs- oder Kommunalpolitik geschafft. Nicht mal in einer Weltgegend, in der Wasserknappheit kein Alltagsproblem ist. Um wieviel revolutionärer muss es den ursprünglichen Empfängern der Offenbarung des Johannes erschienen sein, wenn in der Beschreibung der künftigen göttlichen Weltordnung den Durstigen kostenfreies lebendiges Wasser verheißen wird. Wer einmal im Nahen Osten war und die allgegenwärtige Knappheit von Wasser und den Einsatz von Wasser als politische Waffe hautnah mitbekommen hat, kann erahnen, wie stark dieses Bild gemeint ist: Das Kostbarste wird umsonst gegeben. Warum bekommen Geschichten in Facebook viele Likes, die davon erzählen, dass jemand von fremden Menschen unerwartet ein Geschenk be3 kommen, eine Einladung erhalten oder eine selbstlose Behandlung erfahren hat? Es hat etwas zu tun mit der Sehnsucht nach einer anderen Art und Weise des Miteinanders, des Teilens – ohne Erwartung einer Gegenleistung. Wer es persönlich erlebt hat, wird meist selbst offener für dieses bedingungslose Geben. Eine verheißungsvolle Vorstellung, wenn so an den verschiedensten Stellen unserer Welt, kleine Wellen des Glücks losgetreten werden, die sich im positiven Sinne unkontrolliert fortpflanzen. Gott begegnet uns auch in anderen Menschen. Es ist gar nicht so schwierig, ein Stück Himmel auf Erden wahr werden zu lassen. Durch uns selbst. Klaus Seifert Besinnung November 2017 Gott spricht: Ich will unter ihnen wohnen und will ihr Gott sein und sie sollen mein Volk sein. (Hesekiel 37,27) Hesekiel gehörte zu den Menschen, die in Babylon im Exil waren. Israel war von den Babyloniern besiegt worden, Jerusalem zerstört, die Oberschicht, die den Siegern gefährlich werden konnte, weggeführt. Nun sitzen sie in der Fremde, „an den Wassern von Babylon“, und trauern. Sie haben ihre Heimat, ihre Häuser und viele Verwandte verloren. Sie wissen nicht, ob sie je wieder in ihr Land zurückkehren werden. Und auch ihr Gott hat seine Wohnung, den Tempel, verloren. Wo ist Gott jetzt? Was wird aus ihnen, wenn Gott nicht mehr in ihrer Mitte wohnt? In dieser Situation spricht der Prophet seinen Landsleuten Trost und Mut zu. Er sagt: „Gott, der Herr, hat zu mir gesprochen und mir diese Botschaft an euch gegeben: ‚Ich hole die Israeliten hier heraus. Ich bringe sie in ihr Land zurück. Ich will mitten unter ihnen mein Heiligtum errichten. Meine Wohnung soll für immer bei ihnen sein. Ich will ihr Gott sein und sie werden mein Volk sein.‘“ (Hesekiel 37,21.26.27) Wo wohnt Gott? In der jüdischen Überlieferung ist die Einwohnung Gottes ein wichtiger Gedanke. Gott nimmt in und unter den Menschen Wohnung. Als ein Frommer einmal einige gelehrte Männer, die bei ihm zu Gast waren, fragte: „Wo wohnt Gott?“ lachten sie über ihn: „Wie redet er! Ist doch die Welt seiner Herrlichkeit voll!“ Er aber beantwortete die eigene Frage: „Gott wohnt, wo man ihn einlässt.“ (nach Martin Buber, Erzählungen der Chassidim). Das können wir, zweieinhalbtausend Jahren nach Hesekiel, gut verstehen. Ja, Gott wohnt nicht im Tempel, Gott wohnt nicht nur in Israel. Gott wohnt unter uns Menschen. Wir sollten aber die absolute Aussage, die uns von Hesekiel überliefert ist, ernst nehmen: „Ich will bei euch wohnen“. Nicht: „Ich werde bei euch wohnen, wenn ihr …“, wenn ihr Gott einlasst, wenn ihr fastet, betet und Gutes gut. Das sind gute Übungen, vor allem für die, denen wir Gutes tun. Aber allzu oft blicken wir dabei nur auf uns selbst. Sind wir wirklich ein- lassbereit? Tun wir genug? Dann sehen wir uns um und stellen fest: Nein, Gott ist hier trotzdem nicht, Gott bleibt uns und der Welt fern. Und dann bekommen wir ein nagendes Gefühl des Ungenügens. Oder der Resignation. Gott wohnt hier nicht mehr. Aber ändern wir mal die Perspektive, weg von uns, hin zu Gott. Gott will bei uns wohnen. Und er tut das auch. Also: Bin schon da. GOTT. Stellen Sie sich vor, Sie finden, wenn sie heimkommen, einen solchen Zettel im Flur. Welchʼ schöne Überraschung. Sie öffnen die Zimmertür. Da ist Gott. Sie lächeln sich an. Wie wäre es, wenn wir so durch unseren Alltag gehen, trotz allem? Wenn wir so die Menschen ansehen, denen wir begegnen? Das fällt leicht, wenn wir Kinder beim Spielen zusehen, oder Menschen, die sich für andere engagieren, kennenlernen. Aber wir können es üben, sobald wir morgens aus dem Haus gehen, oder auch, auch wenn wir vor einer Tür stehen, die wir vielleicht ungern öffnen, oder uns auf einen Weg ins Ungewisse machen müssen, oder wenn wir es mit Menschen zu tun haben, die uns fremd sind. Wenn wir erwarten, dass Gott schon da ist, dann werden wir das auch erfahren. Eltern und LehrerInnen und Vorgesetzte wissen zum Beispiel: wenn sie ihrem Gegenüber etwas zutrauen, dann schaffen die das auch. Und umgekehrt. Dieser andere Blick bedeutet, dass wir versuchen können, überall dort, wo wir sind, hinter jeder Tür, in jeder Gruppe von Menschen, das Volk Gottes zu sehen, Menschen unter denen Gott schon wohnt. Gott will unter uns wohnen, wie und mit wem und durch wen, das ist sein freier Wille. Hildburg Wegener Besinnung Februar Wenn ihr in ein Haus kommt, so sagt als erstes: Friede diesem Haus! (Lk 10,5) Friedensboten Der erste Eindruck, wie passend angesichts des Weltgeschehens und wie tröstlich klingt doch die Monatslosung: Aleppo am Abgrund, besser gesagt, darin versunken, Afrika kommt nicht zur Ruhe, in Amerika zieht ein Kraftmeier ins Weiße Haus. In Deutschland werden Tabus bei der Wortwahl gebrochen, der Begriff „völkisch“ reüssiert. Zugleich grassiert Angst vor islamistisch begründeter Gewalt. Die Sehnsucht nach Frieden ist groß. Ein Ernst, ein Wissen, um die oft vergebliche Sehnsucht nach Frieden bewegt uns. die Welt erscheint fragil. Zweifelsohne: Ohne Frieden ist nichts von Dauer. Menschenwürde, Gedeihen von Leib und Leben – all das hängt von ihm ab, mehr als von allem anderen. Aber: Der Satz entpuppt sich, gelesen im Umfeld des Bibeltextes doch als hintergründiger. Er stammt aus der „Einsetzung und Aussendung der Zweiundsiebzig“. „Geht hin: siehe ich sende euch wie Lämmer mitten unter die Wölfe“. steht in dem Abschnitt aus dem die Losung stammt. In Armut sollen sie losziehen. Und wenn sie dann ein Haus aufsuchen, steht der Satz der Monatslosung an. Ein bedingungsloser Friedensgruß, ausgesprochen auf der Schwelle, nicht wissend, was einen empfängt. Steckt dahinter Vertrauen? Menschenfreundlichkeit? ein dickes Fell? Auch ein wenig Sturheit? Ein bisschen von allem scheint es. Lebt in dem Haus ein Kind des Friedens, so „so wird euer Frieden auf ihm ruhen“, heißt es. Wenn dem nicht so ist, „so wird sich euer Frieden wieder auf euch wenden“. Unabhängig von der Reaktion zu verweilen, zu essen, zu trinken, was einem gegeben wird, lautet die Empfehlung. „Ein Arbeiter ist seines Lohnes wert. Ihr sollt nicht von einem Haus zu anderen gehen“, schließt der Absatz. Was für eine Kraft, Satz für Satz:, ein Realismus und ein Selbstbewusstsein. Wir können willkommen sein – oder auch nicht, aber unabhängig davon, ist es das gute Recht anzuklopfen, einzutreten, sich zu begegnen. Menschen sind unterschiedlich groß – trotzdem - körperlich gesehen handelt es sich in der Regel um Begegnungen auf Augenhöhe, egal wie mächtig, wie reich jemand ist. Mensch trifft auf Mensch. Und das anzuerkennen, besser könnte das Fundament der Friedensbotschaft kaum aussehen. Der letzte Satz, die Aufforderung an die Jünger, die Gottes Botschaft weitertragen zu sollen, nicht von Haus zu Haus zu gehen, irritiert erst einmal – zugleich strahlt er eine Ruhe aus. Da ist eine Gelassenheit gegenüber den Gegebenheiten zu spüren. Die Arbeiter gehen ihrer Arbeit nach – ihrem Auftrag entsprechend. Es kommt noch ein Absatz. Da wird statt des Hauses das Bild der Stadt gewählt: Wenn deren Bewohner die Besucher nicht aufnehmen wollen, so sollen die Boten von Gottes Wort weiterziehen und den Staub der Stadt abschütteln. Das Reich Gottes werde kommen und „Es wird Sodom erträglicher ergehen an jenem Tage als dieser Stadt“, steht da geschrieben. Das klingt nicht nach Friedensbotschaft. Aber auch das steht in der Bibel. Und die Frage nach dem Reich Gottes, die treibt einen um. Auch nach der Lektüre dieses Kapitels des Lukasevangeliums. Bettina Behler Besinnung Dezember Ein altes Bild von Albrecht Dürer zu Christi Geburt? Ein altes Bild zu dem Neuen, dass wir erwarten, auf das wir hoffen, was wir so dringend brauchen? Warum? Es macht deutlich, wie Christi Geburt, die wir jedes Jahr feiern, alt und neu zugleich ist. Alt - Neu: Beides ist im Bild zu sehen. Das Haus ist verfallen rundherum – Armut, Not, Vertreibung, die junge Familie hat keinen Platz im Haus. Jesu Geburt – der Alltag – auch heute für viele in unserer Welt – das Alte. Wir hören in den letzten Monaten immer wieder erschreckende Nachrichten aus Äthiopien. So dauert dort der Ausnahmezustand noch immer an, mit der Konsequenz, dass Demonstrationen verboten sind, das Internet nur eingeschränkt nutzbar ist und Menschen ohne richterliche Genehmigung verhaftet werden können. Und das in einem Land, in dem unabhängige Medien und Menschenrechtsorganisationen kaum einen Zugang haben. Seit vielen Wochen können Verwandte und FreundInnen von Deutschland aus in Äthiopien nicht mehr erreicht werden. Die hier leben sind voller Sorge! Ältere in der Gemeinde teilen mit mir immer wieder, wie sehr sie das Altwerden belastet, wie mühsam es für sie ist, die Krankheiten, das Alleine-Sein, das Nicht-Mehr-So-Können-Wie-Früher. Wie kann „Neues“ entstehen? Antworten möchte ich mit Worten von Hannah Arendt, die sich einige Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges und nach dem Holocaust Gedanken darüber machte, wie es angesichts der menschlichen Zerstörungskraft überhaupt noch Hoffnung und Vertrauen in dieser Welt geben kann: „ Das `Wunder` besteht darin, dass überhaupt Menschen geboren werden, und mit ihnen der Neuanfang …. Weil jeder Mensch aufgrund des Geborenwerdens ein Anfang und Neuankömmling in dieser Welt ist, können Menschen Initiative ergreifen, Anfänger werden und Neues in Bewegung setzen … Dass man in der Welt Vertrauen haben und dass man für die Welt hoffen darf, ist vielleicht nirgends knapper und schöner ausgedrückt als in den Worten…: `Uns ist ein Kind geboren`…“ „Gott wird Mensch, dir Mensch zugute“, so singen wir es im Weihnachtslied. Gottes Kind kommt in die Welt. Dadurch wird die Welt verändert. Das ist die Botschaft von Weihnachten. In der Bibel wird sie beschrieben. Maria und Josef haben ihr vertraut. Bis in unsere Zeit vertrauen Menschen dieser Botschaft. Und das verändert ihr Leben. Das ist das Wunder von Weihnachten. In unseren Herzen beginnt es. Gott sei Dank! In diesem Sinnen möge Sie auch die Jahreslosung 2017 stärken und begleiten! „Ich schenke euch ein neues Herz und lege einen neuen Geist in euch." (Hesekiel 36,26) Eine frohe Advents- und Weihnachtszeit und ein segensreiches neues Jahr wünscht Euch und Ihnen Pfarrerin Gisela Egler-Köksal
Monatsspruch November Um so fester haben wir das prophetische Wort, und ihr tut gut daran, dass ihr darauf achtet als ein Licht, dass da scheint an einem dunklen Ort, bis der Tag anbreche und der Morgenstern aufgehe in Euren Herzen. (2. Petr. 1,19.) Die Nachricht von Gott durch den Propheten ist komplett, verlässlich, brachte Licht in der Dunkelheit, in die Herzen, der Leute, die aufmerksam sein sollen. Es kommt darauf an, das Ergebnis dieser verlässlichen Nachricht zu hören, an das Evangelium, Verkörperung, Tod und Auferstehung von Christus zu glauben, Das zeigt Wirkung in unserem Leben, braucht aber Zeit, bringt jedoch Veränderungen. Das ist die Nachricht des Evangeliums. Die Verbindung zu wollen. Um der Veränderungen im Leben willen. Gudetu Eticha Adugna
Monatsspruch Oktober Wo aber Gott ist, da ist Freiheit (2. Kor. 3,17) Der 2. Brief des Paulus an die Korinther erfolgte, nachdem der 1. Korintherbrief nicht zu dem gewünschten Erfolg, sondern zu Spannungen zwischen den Korinthern und Paulus geführt hatte. Aus diesem wohl persönlichsten Brief des Apostels spürte man die ganze Wärme und Liebe heraus, die er zu dieser Gemeinde in Korinth hegte. Dabei gab er insbesondere in den Kapiteln 3 bis 5 sein Hochgefühl kund über die unvergleichliche Herrlichkeit des Dienstes am Evangelium Christi im Gegensatz zur überwundenen Gesetzesreligion.
Der Monatsspruch für Oktober ist dem 3. Kapitel Vers 17 entnommen, der vollständig lautet: „Denn der Herr ist der Geist; wo aber der Geist des Herrn ist, da ist Freiheit.“ Dieser Vers ist eingebettet in einen recht schwierigen Text, wonach Paulus aus eigener Erfahrung bei sich und vielen anderen geradezu schmerzhaft die Verstockung Israels und ungezählter anderer miterlebt hat, für die als jüdische Leser des Alten Testaments eine Hülle über der Schrift oder vielmehr über ihren Herzen lag: So blieb ihnen verborgen, dass der Gesetzesbund in Christus abgetan ist. Paulus will deutlich machen, dass sowohl für jeden Juden, der sich zu Christus bekehrt, wie für alle anderen Gläubigen die wunderbare verwandelnde Arbeit des Geistes Gottes angefangen hat und ihren Fortgang nimmt. Christus teilhaftig werden heißt, des Geistes teilhaftig werden; und der macht von jeder Hülle frei. Kinder des Neuen Bundes schauen nicht nur die unverhüllte Herrlichkeit des Herrn, sondern sie werden ihrer in steigendem Maße teilhaftig, weil ihnen der Herr nicht bloß äußerlich gegenübersteht wie dem Mose, sondern durch den Geist in ihren Herzen wohnt. Dies ergibt sich aus dem anschließenden Vers 18, der unbedingt in diesem Zusammenhang erwähnt werden muss. Wer von mir als Jurist erwartet hat, dass ich hier eine juristische Auslegung des Begriffs der Freiheit liefere, den ich muss ich enttäuschen. Die Freiheit, die Paulus meint, geht weit über menschliche juristische Definitionen hinaus und ist völlig unabhängig von diesen weit tiefer gegründet und das ist gut so. Dr. Max Schumacher
Monatsspruch September Gott spricht: Ich habe dich je und je geliebt, darum habe ich dich zu mir gezogen aus lauter Güte. (Jer 31,3) Monatsspruch August Habt Salz in euch und haltet Frieden untereinander! (Markus 9,50) Monatsspruch Juli Der Herr gab zur Antwort: Ich will meine ganze Schönheit vor dir vorüberziehen lassen und den Namen des Herrn vor dir ausrufen. Ich gewähre Gnade, wem ich will und schenke Erbarmen, wem ich will. (2. Mose 33,1) Ich will meine ganze Schönheit vor dir vorüberziehen lassen ... Schönheit? Dieses Wort habe ich im Zusammenhang mit Gott noch nie gehört. Moses darf Gott auf dem Berg Sinai als schön erleben, als umfassend schön. Ein faszinierend neuer Gedanke. Schönheit weckt in Menschen ja den Wunsch, mit dem Geschauten eins zu werden, sich ganz zu versenken, aufzugehen in einem uns umfassenden vollkommenen Ganzen. Gott so erleben, mit allen Sinnen erfahren, anstaunen, sich für Gott öffnen, wie für eine liebliche oder erhabene Landschaft, für ein meisterhaftes Bild, einen bezaubernd schönen Menschen, und sich daran freuen, sich davon überwältigen lassen – so will Gott sich Moses zeigen. Das hebräische Wort dafür ist ganz knapp: kol tov, mein ganzes GutSein. Für „tov“ lese ich im Lexikon: angenehm, gut, was den Sinnen gefällt, schön anzusehen, wohlgestalt, erfreulich. Genau – dafür kann man im Deutschen auch „schön“ sagen. Und dann finde ich im Lexikon noch eine Erinnerung an die Schöpfungsgeschichte: „Und Gott sah, dass es gut war“, dass die Welt so war, wie Gott sie immer gewollt hat. „All meine Güte“, heißt es wörtlich in den meisten anderen Übersetzungen. „Güte“ kann aber leich zu eng verstanden werden, dass nämlich Gott „gütig“ ist, obwohl wir es nicht verdient haben und wir seinen Zorn fürchten müssten. Oder wir denken bei „gut“ an das Problem, wie Gott „gut“ sein kann und doch das Böse in der Welt zulässt. Wenn wir von Gottes Schönheit reden, sind wir auf einer etwas anderen Schiene. Es geht nicht um gut und böse in uns oder in der Welt, es geht um Gott und wie Gott uns begegnen will. Unser Monatsspruch ist Gottes Antwort auf eine Bitte. Moses war nach der Anbetung des goldenen Stierbildes, mit dem das Volk den Bund gebrochen hatte, wieder auf den Berg Sinai gestiegen. Dort hatte Gott ihm die Zusicherung gegeben, dass der Bund trotz allem gilt und Gott das Volk in das verheißene Land führen werde. Moses hätte gern Sicherheit, eine klare Vorstellung von der Macht, der sie sich anvertrauen sollen, und sagt deshalb: „Lass mich deine Herrlichkeit sehen“. Gott weist die Bitte nach Sicherheit nicht als unfromm zurück, aber erklärt, warum das nicht geht. „Mein Angesicht kannst du nicht sehen, denn kein Mensch wird leben, der mich sieht“. Gottes ganze Herrlichkeit ist gewaltig, so gewaltig, dass wir Menschen es nicht ertragen können. Und doch will Gott nicht unerkannt bleiben. Moses darf die den Menschen zugewandte unendliche Schönheit Gottes sehen. Er soll in eine Spalte im Fels treten. Gott will an ihm vorübergehen, will ihm die Augen verdecken und ihn so vor der verzehrenden Macht der Herrlichkeit Gottes schützen. Dann darf Moses Gott hinterher sehen, die Spuren von Gottes Walten in der Welt wahrnehmen. Vielleicht gibt der letzte Satz des Monatsspruchs uns einen Hinweis, wie auch wir die Spuren Gottes wahrnehmen können. Es hätte ja heißen können: In meiner ganzen Macht und Herrlichkeit kann ich Gnade gewähren, wem ich will, und strafen, wen ich will. Dieser beängstigende Gegensatz steht hier aber nicht. Sondern Gottes Schönheit für uns bedeutet, dass Gott Gnade gewährt und Erbarmen schenkt. So will Gott sich uns zeigen. Moses hat nach seiner Rückkehr vom Berg Sinai auf diese Zusage vertraut. Und in dieser Tradition steht auch Jesus, wenn er den Menschen Gottes Schönheit erzählt. Hildburg Wegener Monatsspruch Juni Meine Stärke und mein Lied ist der Herr, er ist für mich zum Retter geworden. (Ex 15,2) Monatsspruch Mai Wisst ihr nicht, dass euer Leib ein Tempel des Heiligen Geistes ist, der in euch wohnt und den ihr von Gott habt? Ihr gehört nicht euch selbst. (1. Korintherbrief 6,19) Andacht zu Pfingsten Eine Andacht zu Apostelgeschichte 2, 1-18 In Jerusalems Straßen drängen sich die Menschen: Dunkelhäutige aus Nordafrika und hochgewachsene Ägypter, arabische Gewürzhändler und elegant gekleidete Leute aus der fernen Hauptstadt Rom. Sie sprechen verschiedene Sprachen, doch sie alle sind Juden und wollen in der Davidsstadt Pfingsten feiern, das alte Erntefest, und sich an den Bund erinnern, den Gott am Berg Sinai mit seinem Volk geschlossen hat. Auch Petrus, Jakobus und die anderen Jesus-Jünger sind unter den Festpilgern. Mit gemischten Gefühlen sind sie nach Jerusalem zurückgekehrt. Hier ist ihr Herr am Kreuz gestorben. Doch sie wissen auch: Gott hat ihn auferweckt - Jesus lebt! Noch haben die Männer aus Galiläa Angst. Sie finden keinen Mut, sich unter die Festpilger zu mischen und von Jesus zu erzählen. Sie schließen sich im Haus ein. Sie verrammeln Türen und Fenster. Sie bitten Gott um Kraft. Sie beten um Gottes guten Geist. Plötzlich bewegt sich etwas in ihren furchtsamen Herzen. Wie ein Sturmwind, wie ein Feuer kommt es über die Jünger - ihre Herzen brennen! Eine Kraft, die nicht aus ihnen selber kommt, erfüllt sie, erfüllt das ganze Haus! Ihre Angst ist wie weggeblasen. Ein neuer Geist ist in ihnen - Gottes guter Geist! Flammende Begeisterung hat sie erfasst. Herzen öffnen sich, Türen öffnen sich, ihre Zungen lösen sich - sie können nicht mehr schweigen. Sie drängen nach draußen. Alle sollen die gute Botschaft des Lebens erfahren, sollen hören, wie sich durch Jesus ihr Leben verändert hat. Sehr anschaulich wird uns hier vor Augen geführt, was der heilige Geist in Menschen bewirkt: 1. Der heilige Geist macht Menschen mutig Verzagte Anhänger Jesu werden auf einmal zu mutigen Zeugen. Durch den heiligen Geist sind sie Feuer und Flamme für Jesus und erzählen allen von ihm, ohne Scheu. Wie der Wind ein Segelschiff an ferne Ufer tragen kann, so treibt der heilige Geist die Apostel als Boten Jesu immer weiter, selbst in fernste Länder. So hatte Jesus es ihnen vorausgesagt. Dadurch kam die Botschaft von Jesus auch bis zu uns. 2. Der heilige Geist macht Menschen sprachfähig Der heilige Geist gibt den Jüngern an Pfingsten die richtigen Worte, um die großen Taten Gottes auszusprechen und allen zu verkünden. Nur deshalb erzielen diese Worte auch ihre Wirkung. Einfache Menschen ohne höhere Bildung finden auf einmal die richtigen Worte, um von Jesus zu erzählen. Um anderen Menschen weiterzusagen, dass Jesus für uns gestorben und auferstanden ist, dass er uns Erlösung und ewiges Leben schenken will – dazu muss man nicht erst Theologie studiert haben. Der Geist kann Christen eine Sprache finden lassen, die andere Menschen unmittelbar anspricht. Martin Luther wäre sicher erstaunt, wenn er wüsste, dass wir heute noch seine Bibelübersetzung verwenden. Luther wollte doch „dem Volk aufs Maul schauen“, die Bibel in die Sprache übersetzen, die die Menschen seiner Zeit wirklich gesprochen haben. Aber wir sprechen diese Sprache nicht mehr, das Deutsche hat sich in 500 Jahren verändert. Wenn wir Luthers Anliegen gerecht werden wollen, wenn wir den Menschen heute Gottes Wort in ihrer Sprache nahebringen wollen, dann müssen wir zumindest öfter aktuelle Übersetzungen verwenden. 3. Der heilige Geist macht Menschen hörfähig In der Pfingstgeschichte bewirkt es der heilige Geist, dass die Menschen die Botschaft von Jesus nicht nur verstehen, sondern in ihrem tiefsten Herzen davon angesprochen werden. Das kann kein Prediger mit seiner Redekunst bewirken – ob Petrus oder Zimmermann. Der heilige Geist vollbringt Wunder an Menschen, die sich ernsthaft wünschen, mehr von Gott und seiner Botschaft zu verstehen. Plötzlich fällt es einem wie Schuppen von den Augen, plötzlich erschließt sich der Sinn des Gotteswortes, plötzlich entsteht das Gefühl: Dieses Wort gilt mir, es hat mir für mein Leben etwas Wichtiges zu sagen! 4. Der heilige Geist macht Menschen einig In der Pfingstgeschichte hören den Aposteln ganz verschiedene Menschen zu: Ortsansässige und Zugereiste, Einwohner und Festpilger, geborene und übergetretene Juden. Im Anschluss an die Predigt des Petrus lassen sich von ihnen dreitausend Menschen taufen und kommen dazu zur ersten Gemeinde derer, die an Jesus glauben. Menschen aus aller Herren Länder und aus allen Kulturen schließt der heilige Geist zur ersten Gemeinde zusammen – deshalb ist Pfingsten der Geburtstag der Kirche. Der heilige Geist kann uns dazu bringen, dass wir den anderen nicht mehr nur daran messen, wie weit er mit unseren Ansichten und Frömmigkeitsformen übereinstimmt, sondern dass wir uns freuen können an der Vielfalt, in der auch in unserer Gemeinde Menschen ihren Glauben leben, dass wir uns freuen können an dieser bunten Wiese Gottes. Anonymus gekürzt Monatsspruch April Ihr aber seid das auserwählte Geschlecht, die königliche Priesterschaft, das heilige Volk, das Volk des Eigentums, dass ihr verkündigen sollt die Wohltaten dessen, der euch berufen hat von der Finsternis zu seinem wunderbaren Licht. (1. Petrusbrief 2,9)
Im ÖZ-Gottesdienst hat Priester Stojan Bajactarevic die nachstehende Predigt gehalten. Sie hat uns so gut gefallen, dass wir sie in diesem Heft gerne an der Stelle der Andacht zum Monats-spruch für April zum Nachlesen bereit stellen.
Im Namen des Vaters, des Sohnes und des heiligen Geistes. Jeder Mensch und jede Gesellschaft strebt im Laufe des Daseins nach etwas Besserem und etwas Höherem. Den Weg zu diesem Ideal kann man den Pilgerweg unseres Lebens nennen. Ich möchte an dieser Stelle, den Weg der serbisch-orthodoxen Gemeinde in Frankfurt kurz beschreiben. In den frühen 60er Jahren, aufgrund von Arbeitslosigkeit, schlechten materiellen Umständen und ungünstigen politischen Wendungen, zog ein großer Teil der Bevölkerung aus dem ehemaligen Staat Jugoslawien aus ihrer Heimat, auf der Suche nach einer besseren Zukunft in einem fremden Land. Im Zuge dessen kamen viele Serben nach Deutschland. Dieses Volk hat hier Arbeit gefunden, Familien gegründet und eine bessere, sichere Zukunft geschaffen. Auf seiner Pilgerreise hat das serbische Volk alles gefunden, was für das materielle Wohl notwendig ist. Aber für die geistlichen Bedürfnisse fand es fast nichts. Zu dieser Zeit gab es nur wenige serbisch-orthodoxe Kirchen. Und diese unterstanden der russisch-orthodoxen Auslandskirche, die wie die serbische Kirche aus einem Land stammt, in der sie unter dem Kommunismus litt. Orthodoxe Serben durften ihre Kirche nicht aufsuchen, aus Furcht vor politischer Tortur in ihrem Herkunftsland. So wurden sie eine kritische Masse und Zielgruppe von Sekten und verschiedenen satanistischen und spirituellen Gesellschaften. Das serbisch-orthodoxe Patriarchat in Belgrad wusste von diesem Problem, war aber aufgrund der politischen Situation, nicht in der Lage, etwas zu unternehmen. Doch wie die Sonne, die den Nebel durchdringt, kam das Angebot der evangelischen Kirche, der serbisch-orthodoxen Kirche zu helfen. Dem Patriarchat wurde angeboten, seine Bischöfe und Priester nach Deutschland zu entsenden. Darüber hinaus, übernahm die evangelische Kirche die finanzielle Unterhaltung der Priester und sie bot ihre Kirchen als Räumlichkeit für den orthodoxen Gottesdienst an. So wie das serbische Volk seinen Pilgerreise zu einer besseren Zukunft antrat, so hat auch die serbisch-orthodoxe Kirche eine Pilgerreise in ein fernes Land unternommen. Vor dreieinhalb Jahrzehnten führte dieser Pilgerweg die serbisch-orthodoxe Kirche hier in das Ökumenische Zentrum Christuskirche. In genau dieser Kirche hat die evangelische Gemeinde nicht nur ihre Gastfreundschaft bewiesen, sondern betrachteten ihre Gäste als Partner in der christlichen Mission. Dank ihrer Gastgeber, verwandelte sie sich die kleine serbische Gemeinschaft in eine große kirchliche Gemeinde. Die evangelische Gemeinde hat ihren Gästen dabei materiell und finanziell geholfen. Sie half außerdem bei der Einrichtung einer serbischen Schule, eines internen orthodoxen Religionsunterrichts, Kirchenchors, Ikonographie-Kurses und vielen weiteren Aktivitäten in der serbisch-orthodoxen Kirche in Frankfurt. Zu der Zeit des tragischen Krieges in Jugoslawien, waren die Gastgeber, trotz aller politischen und medialen Kampagnen, großzügig gegenüber den Serben und die Räume dieser Kirche waren Sammellager für humanitäre Hilfe für die vom Krieg betroffenen Menschen. Dank des Verständnisses und Großzügigkeit unserer Gastgeber, besitzt die serbischorthodoxe Kirche heute eine eigene orthodoxe Kirchel, aber wir genießen auch weiterhin die Gastfreundschaft in dieser Kirche. Hier sind wir unter einem Dach mit Deutschen, Oromo und Chinesen. In der neuen Kirche teilen wir die Räume mit den Koreanern, die einst ebenfalls im Ökumenischen Zentrum ihre Pilgerreise in eine bessere Zukunft und die christliche Mission unter ihren Landsleuten begonnen haben. Heute stehen wir wieder – Gott sei Dank – zusammen, Seite an Seite. So wie damals die evangelische Kirche der serbischen Kirche auf ihrer Pilgerreise den Weg geebnet hat, so unterstützt die serbische Kirche heute die koptisch-orthodoxen Christen aus Äthiopien. Zum Schluss möchte ich etwas persönliches sagen: All deine Mühen, etwas gutes und dienliches zu tun und zu verwirklichen, sind dein persönlicher Pilgerweg. Vielleicht wirst du dein Ziel nicht erreichen, vielleicht existiert dein Ziel nicht, aber der Weg dorthin ist interessant und anziehend. Auf diesem Weg gibt es viele Aufstiege und Fälle, Freude und Trauer, viele Betrüger und Räuber, aber auch viele gute Menschen, die dir ihre Hand reichen, wenn es am aller nötigsten ist. Die ausgestreckte Hand eines guten Menschen ist nichts anderes als die Anwesenheit Gottes unter uns und ein Beweis seiner Sorge um dich und deinen Lebensweg. Deshalb habe keine Angst, deine Pilgerreise anzutreten. Wenn du die Angst besiegst, findest du deinen Frieden. Wenn du den Frieden findest, erkennst du den Herren. Und wenn du den Herren erkennst, frage ihn dasselbe, was ihn auch der Apostel Petrus, gemäß der Überlieferung, an den Toren Roms fragte: „Quo vadis, domine?“, Wohin gehst du, Herr? Wahrscheinlich wirst du, direkt oder indirekt, folgende Antwort bekommen: Du denkst, dass ich dich auf deinem Weg begleite, aber eigentlich führe ich dich dorthin, wo ich möchte, dass du ankommst. Zum Ziel, von dem du noch nichts weißt. Wenn du es erfahren willst, bleibe bis zum Ende bei mir. Du wirst deinen Frieden finden - und dein Ziel. Amen. Priester Stojan Barjaktarevic Andacht zum Monatsspruch März Jesus Christus spricht: Wie mich der Vater geliebt hat, so habe auch ich euch geliebt. Bleibt in meiner Liebe! (Johannes 15,9) Bleibt in meiner Liebe! Inmitten von Trauer und Hoffnung, inmitten von Leid und Freude. Dies bleibt für uns auch heute. In der Liebe bleiben ist das Bindeglied zwischen Passion, Auferstehung und heute. Jesus ist mit seinen Jüngerinnen und Jüngern vor dem Passafest zusammen. Er weiß, was vor ihm liegt und bereitet sie darauf vor. Als erstes wäscht er ihnen die Füße und teilt mit ihnen Brot und Wein. Liebe ganz praktisch: wunderbarer Geruch und Frische. Müde und schmutzige Füße werden frisch und gestärkt. Liebe ganz praktisch: miteinander Brot und Wein teilen. An Gründonnerstag erinnern wir uns daran und teilen miteinander. Bleibt in meiner Liebe: Mit Leiden, tröstende Beziehungen, miteinander Aushalten, dass das Leben auch sinnlos und grausam ist, all dies findet in der Zeit vor dem Passahfest seinen Raum. Das Johannesevangelium ist in der Rückschau geschrieben, aus der Erfahrung der Auferstehung heraus. Was bedeutet das? Das Kreuz bezeugt Gottes Gegenwart in Unrecht und Gewalt. Gott tröstet und stärkt die leidenden Menschen. Gott ist auch dort. Und es bedeutet auch: Dem Kreuz folgt die Auferstehung. Leiden, Unrecht und Schmerzen haben nicht das letzte Wort. Bleibt in meiner Liebe! Das Kreuz in unserer Kapelle ist ein „leeres Kreuz“ – ein Kreuz ohne Korpus. Es macht sichtbar: Jesus ist auferstanden! Jesus ist nicht im To-de geblieben. Doch das Kreuz verschwindet nicht einfach. Es bleibt im Raum. Leiden, Gewalt und Unrecht werden nicht ausgeblendet. Sie werden in Bezug zur Auferstehung gebracht! Denn der Tod hat auch in unserem Leben nicht das letzte Wort – wir können mitten im Leben aufstehen, mitten aus den vielen uns lähmenden und zerstörenden Strukturen und Beziehungen. Wie wir das tun können, hat Jesus in seinen Abschiedsreden und in seinem ganzen Wirken gezeigt. Bleibt in der Liebe: inmitten des Leides Jesu und seiner Auferstehung! An Gründonnerstag teilen wir die Tischgemeinschaft. Wir bedenken Jesu letzte Nacht vor dem Prozess, in dem er schuldig gesprochen wurde. Wir teilen miteinander Brot und Wein – Zeichen seiner Gegenwart! Im Gottesdienst am Karfreitag gedenken wird des Kreuzestodes Jesu. In diesem Jahr wird dabei 2. Korinther 5, 14 b-21 im Mittelpunkt stehen. Am Ostersonntag feiern wir, dass Gottes Liebe weiter reicht als der Tod, dass Gott den Leidenden nahe ist und von der Todesmacht rettet. Es ist mehr als wir denken und verstehen können. Und es ist die schönste Botschaft, die wir sagen dürfen. Eine gesegnete Passionszeit bis zum Osterfest und darüber hinaus wünscht Ihnen Ihre Pfarrerin Gisela Egler-Köksal Andacht zum Monatsspruch Februar Wenn ihr beten wollt und ihr habt einem anderen etwas vorzuwerfen, dann vergebt ihm, damit auch euer Vater im Himmel euch eure Verfehlungen vergibt. (Markus 11,25) Übersetzt in Kategorien des Films bedeutet das schnelle Schnitte. Eher ein dramatisch zusammengefügter Videoclip als ein elegischer Spielfilm tritt einem vor Augen, kurz der Inhalt des Kapitels zusammengefasst: Jesu Einzug in Jerusalem, die Vertreibung der Händler und Wechsler aus dem Tempel, die Geschichte vom verdorrenden Feigenbaum und schließlich die Frage der Hohepriester und Schriftgelehrten nach Jesus Macht und dem Glauben – schier atemlos eilt die Handlung voran. Inmitten der Geschichte vom verdorrenden Feigenbaum findet sich die Monatslosung des Februars 2016. Es macht Sinn, sich eingangs den vorangehenden Vers vor Augen zu führen, denn aus ihm, aber auch dem folgenden heraus ist die Losung zu verstehen. In Vers 24 heißt es: „Darum sage ich euch: Alles, was ihr bittet in eurem Gebet, glaubet nur, dass ihr es empfangen werdet, so wird es euch gegeben.“ Die Geschichte vom Feigenbaum, dessen Siechtum und Verdorren Jesus angekündigt hat: Binnen weniger Stunden wird seine Ankündigung wahr, bis hin zu den Wurzeln wird der Niedergang des Baumes besiegelt – ein Sinnbild für die Kraft des Glaubens über das Übliche hinweg. Jesus vermag auch das Unerwartete, das Unglaubliche, umzusetzen, unabhängig von den alltäglichen Läufen der Natur. Gewohnt sind wir: Ein Baum sieht erst kümmerlich aus, dann verliert er über Tage oder Wochen seine Blätter und nach weiterer Zeit ist sein Schicksal besiegelt. Ein radikales – sprichwörtlich an die Wurzeln gehendes Glaubensbild wird hier geschaffen. Deutlich steht es einem vor Augen, das – in diesem Fall vernichtende – Wunder, das Jesus zuwege bringt. Aber es ist eben kein Standbild. Hier geht es nicht um erzählerisch lineare Verläufe. Mehrere Stränge laufen nebeneinander her. Das betrifft die Aktionen, aber auch die anderen Inhalte. Mit dem Gebet allein ist es nicht getan, mit der Zuwendung allein zu Gott. Mk 11,25 stellt den Bezug zum irdischen Gegenüber her, ihm zu vergeben, verschränkt sich mit dem Ansprechen Gottes, ohne diese zwischenmenschliche Komponente ist das Beten nicht zu denken. Vergeben und verzeihen im hier und jetzt, im Handeln und im Herzen, ohne dies führt das Gebet nicht weit, tritt das Wunder in den Hintergrund. Vers 26 betont es noch einmal: „Wenn ihr aber nicht vergeben werdet, so wird euch euer Vater, der im Himmel ist, eure Fehler nicht vergeben.“ Streng und ohne „wenn und aber“ ist die Botschaft. Aber auch zutiefst human und befreiend. Werft eure Last ab, die schlechten Gefühle, den Ärger, den ihr mit euch herumtragt hier auf Erden und tretet so gestimmt vor den Herren. Bei Filmen, kleinen oder auch Breitbandepen, gibt es diese Momente, wo der Knoten platzt, wo die Kamera, die vorher schier zu wirbeln schien, ruhig wird, nach rechts schwenkt, nach links, zur Ruhe kommt und ein Panorama entsteht. Vordergrund und Hintergrund fügen sich zusammen. Als solch ein Moment kann Mk 11, 25 gelesen werden. Bettina Behler Monatsspruch Januar Gott hat uns nicht einen Geist der Verzagtheit gegeben, sondern den Geist der Kraft, der Liebe und der Besonnenheit. (2. Tim 1,7 (E)) Andacht zum Monatsspruch Dezember Jauchzet, ihr Himmel; freue dich, Erde! Lobet, ihr Berge, mit Jauchzen! Denn der HERR hat sein Volk getröstet und erbarmt sich seiner Elenden. (Jesaja 49,13) Jubeln – ob ich glaube, zweifle, jammere, fern von Gott bin, fern vom Jubeln bin. Denn Gott hat sein Volk getröstet und erbarmt sich der Elenden. Wo sehen wir dies? Angesichts eigener, als unlösbar erlebter Probleme und Schwierigkeiten. Angesichts der Kriege, Vertreibungen, der Hungersnöte in Äthiopien und in anderen Ländern der Welt, der Unterdrückung und der Ungleichheit? Wir verzweifeln oft an uns und unseren Nächsten und an unserer Welt und wissen nicht weiter. Aber: Gott tröstet und erbarmt sich: deshalb jubelt! Jubel und Staunen sind der Ausdruck eines Glaubens, der mit allem rechnet und selbst das Unmögliche wagt. Wer denkt schon, dass die Berge in Jubel ausbrechen können? Und wir jetzt gemeinsam mit Himmel, Erde und Bergen jubeln sollen! Was für eine Verstärkung unserer oft dünnen menschlichen Stimme! Wann haben Sie das letzte Mal gejubelt? Wann hast Du das letzte Mal gestaunt? Jubelt, denn Gott erbarmt sich! Haben Sie Jubeln schon einmal mit Gottes Erbarmen zusammengedacht? In dem Wort „Erbarmen“ liegt das hebräische Wort ʺrechemʺ, Mutterschoß, Gebärmutter. Der Sitz von Gefühlen, Wärme, Lebenskraft und die Erfahrung des Gebärens und Ringens um Leben. Damit wird die Erfahrung des Lebens, das aus dem Mutterschoß kommt, und die Erfahrung der Hilfe, die von Gott kommt, zusammengebunden. Das Erbarmen Gottes nährt und schützt jede und jeden Einzelnen von uns, lässt in Ruhe wachsen – wie in der dunklen Gebärmutter. Erbarmen ermöglicht Wachstum und Verwandlung auch der Gemeinschaft. Jubeln – an Weihnachten in besonderer Weise. Klein und verletzlich kommt Gott in Jesus in diese Welt, in eine schier ausweglose Situation, unscheinbar in einem Stall, ohne sichtliche Perspektiven. Schon direkt nach seiner Geburt mussten Maria und Josef mit ihm nach Ägypten fliehen. Gott begegnet uns in Jesus, verkündigt die Verheißungen einer gerechten und friedvollen Welt, die mit ihm und durch ihn Wirklichkeit werden. Er durchbricht den Teufelskreis von Gewalt und auswegloser Verstrickung in das Böse. Trotz Gewalt, Schuld und Tod ist Verlass auf Gottes Liebe, Gerechtigkeit und Vergebung. Bis heute hören wir das Evangelium inmitten trotz allem und mit Staunen … Eine erwartungsgefüllte Adventszeit, ein wundervolles Weihnachten und ein gesegnetes Jahr 2016, gefüllt mit Jubeln und Staunen auch in unserer Gemeinde und im Ökumenischen Zentrum wünscht Euch und Ihnen Pfarrerin Gisela Egler-Köksal Andacht zum Monatsspruch November Erbarmt euch derer, die zweifeln. (Judas 22) Der Judasbrief, der nicht von dem Judas stammt, den wir kennen, wendet sich mit harten Worten gegen die, die sich von der Gemeinde und vom rechten Glauben abgewandt haben, gegen die Gottlosen, die ein lästerliches Leben führen. Und gegen die, die zweifeln. Weh ihnen! Der ganze Brief ist eine einzige Philippika. Leute die zweifeln, sind Sünder. Soviel stand fest. Einmal Christ geworden, heißt zu glauben, nicht zu zweifeln. Das war nicht nur damals bei den ersten Christen so, das zog sich bis in unsere Zeit hinein. Zweifeln ist Sünde. Punkt. Heute nennt man zweifeln „hinterfragen“ oder besser noch: „kritisch hinterfragen“. Nicht leichtgläubig sein. Sich nicht für dumm verkaufen lassen. Im Lexikon steht bei Zweifel: „ ... Ungewissheit in der Erkenntnis ob wahr oder falsch ... In Zweifel stellen einer Aussage, um so zu sicherem, zweifelsfreiem Wissen zu gelangen“. Ist das möglich bei dem, was wir glauben? Einige Verse davor steht: „Ihr aber, liebe Brüder, denkt an die Worte, die von den Aposteln Jesu Christi, unseres Herrn, verkündet worden sind ... gründet euch auf euren hochheiligen Glauben und baut darauf. Betet in der Kraft des Heiligen Geistes, haltet fest an der Liebe Gottes und wartet auf das Erbarmen Jesu Christi, unseres Herrn, der euch das ewige Leben schenkt.“ Und hier muss nun der Heilige Geist ins Spiel kommen. Er soll und kann uns bestärken, uns „bei der Stange halten“, dass wir den Weg, den wir einmal als den richtigen erkannt haben, weitergehen und uns nicht beirren lassen. Dass wir in Schwierigkeiten nicht anfangen zu zaudern und zu straucheln. „Haltet fest an der Liebe Gottes und wartet auf das Erbarmen Jesu Christi, unseres Herrn, der Euch das ewige Leben schenkt.“ Mag man die eine oder andere überlieferte „Tatsache“ berechtigterweise hinterfragen können, aber zweifeln wir niemals an der Liebe Gottes, unseres Vaters, und am Erbarmen Jesu, der nicht nur unser Herr, sondern auch unser Bruder geworden ist! Der Liederdichter Johann Heermann hat 1630 so gebetet:
Maria Pohlmann
Andacht zum Monatsspruch Oktober Haben wir Gutes empfangen von Gott und sollten das Böse nicht auch annehmen? (Hiob 2,10) Hiob gibt ein jämmerliches Bild ab. Er hat seinen Besitz und seine Kinder verloren und nicht genug, er hat „bösen Ausschlag“ (1,7). Vom Scheitel bis zur Sohle ist Hiob krank und unansehnlich. Ein gutes Leben ist nicht erkennbar. Hiobs Frau spricht aus, was viele denken, wenn sie das Kapitel Hiob in der Bibel lesen! Sie wünscht ihrem Mann das, was man einem Menschen wünscht, wenn er sehr krank ist und schwer leidet: Sterben zu dürfen, erlöst zu sein vom Leid und Schmerz. Doch Hiob denkt ganz anders als seine Frau und seine Freunde, die übrigens ähnlich reagierten wie die Frau. Hiob nimmt das, was ihm passierte, an. Weil er weiß: Gott ist trotz allem bei mir und er liebt mich!Das Buch Hiob hat mir den vertrauensseligen Glauben genommen, Wie war die Glaubenswelt in den Kindertagen doch klar geregelt. Da war noch unangefochten der Tun-Ergehen-Zusammenhang und Gott gehorchte dem Zusammenhang zwischen unseren Gut-Taten und seinem Heilsversprechen. Und wenn wir heute ehrlich nachdenken, fallen wir oft zurück in diese plumpe Heilsmechanik: Ich gebe, damit Du gibst – ‚do ut des‘. Bis wir merken, dass Gott nicht unser Befehlsempfänger ist. Auch in der Theologie dauerte es sehr lange von diesem Automatismus wegzukommen und Gottes Willen zu respektieren.
Das Buch Hiob ist ein erster Schritt innerhalb eines Entwicklungsprozesses, der über das Ziel der Zeit und das Jüngste Gericht führt und in den Büchern Kohelet und den Makkabäer die Hoffnung auf eine
Vergeltung der Taten eines unschuldig leidenden Gerechten im Jenseits andeutet. Eine wirkliche Antwort auf die qualvolle Frage des Hiob gibt dann das Neue Testament, und besonders deutlich Paulus im Römerbrief. Dort heißt es: „Die Leiden der gegenwärtigen Zeit bedeuten nichts im Vergleich zur Herrlichkeit, die an uns offenbar werden soll.“ Die Erkenntnis unserer Erlösungsbedürftigkeit ist für uns die notwendige Einsicht in das Heilshandeln Gottes, das uns in Tod und Auferstehung unseres Bruders Jesus begegnet. Eine Fundgrube für die Glaubenszuversicht eines Hiob finden wir in vielen Liedern von Paul Gerhardt, lesen Sie einmal die 4.und 5. Strophe des Liedes „Gib dich zufrieden und sei stille …“ EG 370. Der Zusammenklang von Freude und Leid, die beide von Gott her kommen, finden ihre Entsprechung in unserem Gebet des Dankens und der Klage, die in Gott geborgen sind. Claus Ludwig Dieter
Andacht zum Monatsspruch September Wenn ihr nicht umkehrt und werdet wie die Kinder, so werdet ihr nicht ins Himmelreich kommen. (Matthäus 18,3) Dieser Vers 3 aus dem Matthäus-Evangelium muss im Zusammenhang gelesen werden. Die Verse 1-4 lauten nach der Luther-Übersetzung unter der Überschrift „Rangstreit“ wie folgt:
Die Jünger verraten sich durch ihre Frage. Sie gehen davon aus, dass Jesus als Sohn des großen Königs sein Reich aufrichtet. Daraus ergibt sich für sie vor allem die Frage, wer denn dann (von ihnen) den höchsten Rang darin einnehmen wird. Sie beweisen durch diese Frage eine sehr mangelhafte Einsicht in den dem Messias vorgezeichneten Kreuzesweg und in das Wesen des Reiches Gottes. Daher hatte Jesus guten Anlass zu einer eingehenden Unterweisung, wie es in seinem Reiche und in seiner Gemeinde gehalten werden soll. Er sagt den Jüngern und damit uns Menschen, die wir gerne groß und unabhängig sein wollen, dass man im Reiche Gottes dem Kindlein gleich werden muss. Das Kennzeichen des Kindes spricht für sich: Es ist klein und abhängig, es kann ohne seine Eltern nicht leben. Demnach sollen wir ebenso abhängig werden von Gott, dem Herrn, und demütig sein in seiner Nachfolge, und zwar als Beweis, dass wir zu ihm gehören. Die vorstehenden Ausführungen entstammen Erläuterungen, die ich den Bibeltexten der Lutherbibel aus dem Jahre 1912 sowie der „Bruns-Bibel“ aus dem Jahre 1965 entnommen habe. Ich will aber noch einen eigenen Gedanken hinzufügen: Ein kleines Kind ist noch nicht sehr klug, es weiß noch nicht viel, es hat noch keine große Lebenserfahrung, es hat noch keinen starken Verstand, mit dem es alle erklären und begreifen kann bzw. zumindest will. So sollten wir auch unseren Verstand nicht als letzte Instanz betrachten, bei der Frage nach dem Sinn des Lebens, dem Sinn des Glaubens, dem Sinn und dem Wesen des Himmelreichs und der Gottesherrschaft. Wir sollten vielmehr wie ein Kind völlig unvoreingenommen und offen sein für neue Erkenntnisse, neue Erfahrungen und damit letztendlich Glaubenswahrheiten, die unser Verstand weder nachvollziehen noch begründen kann. Wir sollten demütig unsere eigene Begrenztheit und Unvoll-kommenheit hinnehmen und akzeptieren in der Gewissheit, dass es et-was Größeres und Vollkommeneres gibt, bei dem wir uns sehr geborgen fühlen dürfen. In diesem Sinne wünsche ich uns eine „kindliche“ Glaubenszuversicht bis in unser hohes Alter. Dr. Max Schumacher
Andacht zum Monatsspruch Juli Eure Rede aber sei: Ja, ja, nein, nein. Was darüber ist, das ist vom Übel. (Matthäus 5,37) Sag klar und deutlich, was du meinst, ohne Umschweife, ohne „Ja aber“ oder „Ja, das muss ich mir überlegen“ oder „Ja, vielleicht will ich dies oder das tun oder bedenken“, und weiter und so fort. Und ebenso gilt dies für ein Nein, das wir antworten. „Nein, außer vielleicht ….“, „Nein, jedoch möchte ich über die Entscheidung einmal schlafen“, so dass der andere nicht weiß, ob er sich nun darauf verlassen kann. Und auch keine unnötigen Bekräftigungen: „Nein. Das ist ganz ausgeschlossen für mich“, oder „Nein. Das ist mein letztes Wort“. Wir sollen allezeit entschieden und wahrhaftig, klar und besonnen antworten und danach handeln. Der Monatsspruch steht in der Bergpredigt. Jesus ist auf einen Berg gegangen und lehrt die Menschen, wie die Verwirklichung der Gottesherrschaft im ethischen Bereich aussieht. Luther schreibt, dass Matthäus in der Bergpredigt die „rechte Gesetzeserfüllung für uns kommentierte.“ Ein Gesetz, dass uns nicht unfrei und furchtsam macht, sondern dem wir zustimmen können, weil es gut für uns ist. Unser Satz ist der Schluss eines Abschnitts über das Schwören. Jesus, so heißt es dort, erinnert erst daran, dass Moses die Menschen ermahnt hat, dass sie keine falschen Eide schwören sollen und dass sie einen Eid, den sie Gott gegenüber ausgesprochen haben, auch halten. Und dann spitzt er diese Ermahnung zu und sagt: „Ihr sollt überhaupt nicht schwören“. Ein klares „Ja, ja“ oder „Nein, nein“ ist alles, was nötig und gut ist. Die feierliche, doppelte Bejahung und Verneinung genügt, um den Eid überflüssig zu machen. So dachte auch unser ehemaliger Kirchenpräsident Martin Niemöller (1892-1984). Er hatte ein bewegtes Leben. Er war Marineoffizier, studierte dann in Münster Theologie und wurde 1931 Pfarrer in der Gemeinde Berlin-Dahlem. Er predigte gewaltig, und die Leute strömten zu ihm. Wegen seiner mutigen Predigten saß er von 1937 bis 1945 als persönlicher Gefangener von Hitler in Sachsenhausen und Dachau im Gefängnis. Die Amerikaner befreiten ihn. Von 1947 bis 1965 war er Kirchenpräsident unserer Landeskirche, neben vielen anderen Ämtern. Die Frage: „Was würde Jesus dazu sagen“, war sein Kompass. Als er in Frankfurt vor Gericht stand wegen angeblich schädigender Beziehungen unserer Republik zu Russland, verweigerte er den Eid, der von ihm verlangt wurde, und berief sich auf Matthäus 5,36, den Vers, der unmittelbar vor unserem Monatsspruch steht. Das löste damals nicht wenige Irritationen aus, besonders in Frankfurt. Wir sollen also die Verantwortung für die eigenen Worte ernst nehmen und keine Zuflucht dazu nehmen, dass eine höhere Macht unsere Verlässlichkeit garantiert. Wir sollen uns selbst zutrauen, dass wir für unsere Überzeugungen einstehen können, weil wir verlässlich sein wollen. Wir sollen zeigen, dass das gesprochene Wort einen hohen Stellenwert hat, und andere dazu einladen, auch so mit ihren Worten umzugehen. Es tut Menschen und Beziehungen gut, wenn wir aufrichtig, wahrhaftig, verlässlich miteinander umgehen, wenn ein einmal gesprochenes Wort gilt. Und wenn dieses Wort aufgrund einer neuen Entwicklung nicht mehr gilt, dann sollte es klar zurückgenommen werden, wenn es sein muss, mit einer Entschuldigung. Die anderen haben ein Recht auf eine verbindliche Antwort. Denn wir freuen uns ja auch, wenn wir klare Verhältnisse haben. Unsere Mitmenschen haben auch ein Recht auf ein klares Nein, auch wenn es uns manchmal leichter fällt, ein halbes Ja zu sagen, um unser eigenes Gesicht zu wahren. Oder auch, um niemandem wehzutun. Wir müssen aber sicher sein, dass unser Nein nicht schadenfroh und böswillig ist. Wir müssen deutlich machen, dass wir aus Respekt vor den anderen dieses „nein“ deutlich sagen und begründen. Und zwar nicht nur unter den Mitmenschen gegenüber, auch Gott gegenüber zählt ein klares „Ja, ja“ und „Nein, nein“. Aber Gott gegenüber können wir ehrlich und ohne Angst eingestehen, wie schwer es uns manchmal fällt, eine klare Entscheidung für ihn zu fällen. Wir dürfen uns immer wieder daran erinnern lassen, dass er zuerst ein klares „Ja, ja“ zu uns gesprochen hat. Dietlind Schmidt-Clever
Andacht zum Monatsspruch Juni Alles vermag ich durch ihn, der mir Kraft gibt! (Philipper 4,13) „Zum Glück gibt’s den Segen“ wurde uns vom Kirchenpräsidenten in einer Impulspost-Kampagne der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau (EKHN) versprochen. Wenn wir in diesem Monat den Monatsspruch bedenken, müssen wir uns die Augen reiben, denn da ist Glück und Segen nicht so billig zu haben, im Gegenteil. Jakob kämpft mit all seinen Kräften um G’ottes Segen. Der Vers kommt aus der Jakobsgeschichte im 1. Buch Mose 32,27. Jakob ringt bis zum Morgengrauen, um auf dem Weg zu seinem Bruder Esau den Fluss Jabboq zu überqueren. Jahre nach dem Betrug an seinem Zwillingsbruder um das Erstgeburtsrecht will er diesen um Verzeihung bitten und ihm gegenüber seine Schuld zugeben, deshalb befürchtet er, dass dieser ihn töten wird. Jakob will reinen Tisch machen, nachdem er sich auch die 21 Jahre seit dem Betrug mit List und Tücke gegen seine Verwandtschaft durchgesetzt hat. Als sich der unbekannte Mann an der Furt durch den Fluss gegen ihn stellt, erkennt Jakob G’ott. Jetzt will er den geraubten Segen eingestehen und nicht mehr ausnutzen, deshalb kämpft er jetzt um den echten Segen G’ottes, der nicht mehr auf den Traditionen der menschlichen Gesellschaft beruht, sondern auf seiner persönlichen Beziehung zu G’ott. Für diesen Mut gewährt G’ott Jakob seinen Segen. Gott will, dass wir mit ihm ringen, dass wir erwachsene Gegenüber von ihm sind und nicht bettelnde Kleinkinder. Zur Zeit Jakobs galt dies für sehr wenige Menschen, für Stammväter, Propheten, Heilige. Jetzt haben wir alle Pfingsten als Fest der Ausgießung des Heiligen Geistes erlebt. Wir haben den Geist G’ottes erhalten, mit dem wir uns selbst, unsere Mitmenschen, die Natur und G’ott verstehen können. Damit sind wir vor G’ott und voreinander erwachsen geworden. Jeder von uns kann zwischen Gut und Böse entscheiden, jeder kann den eigenen Glauben und seine Zweifel finden und aussprechen. Wir sind nicht mehr äußeren Zwängen ausgeliefert, sondern können, ja, müssen selbst wählen, handeln und verantworten. Dabei begegnen wir G’ott immer wieder und erleben seine umfassende Liebe zu uns Menschen. Dies können und sollten wir immer wieder singend meditieren und mit Herz und Sinnen ergreifen und in unserem Leben in Handeln umsetzen. In unserem Gesangbuch haben wir unter der Nummer EG 237 ein neu dazu gewonnenes Beichtlied. Der Deutsche Jude Fritz Rosenthal, der sich selbst den Namen Schalom Ben Chorin gegeben hat (Friede, Sohn der Freiheit), hat uns einen Psalm geschenkt, den es sich dabei zu reflektieren lohnt:
Und suchst du meine Sünde, flieh ich von dir zu dir, Claus Ludwig Dieter
Alles vermag ich durch ihn, der mir Kraft gibt! (Philipper 4,13) Monatssprüche gibt es seit 1934. Sie gehen auf eine Idee Oskar Schnetters zurück, der zu dieser Zeit Jugendwart in Kassel war. Jeden Monat sollte ein Bibelwort auf Plakaten verbreitet werden. Gottes Wort sollte Kraft und Orientierung geben.
Mit einem Bibelvers jeweils einen Monat zu leben, aus ihm zu schöpfen, das ist die Idee auch heute 70 Jahre nach dem Kriegsende und der Befreiung von der Verbrechensherrschaft. Alles vermag ich durch ihn ... Aus dem Gefängnis heraus schreibt Paulus diesen Satz an die Gemeinde in Philippi. Was befähigt den Apostel in einer nahezu ausweglosen Lage zu der Gelassenheit, aus der heraus er sagen kann: Ich kann niedrig und hoch sein, ich kann satt sein und hungern, ich kann Überfluss haben und Mangel leiden? (Philipper 4,12) … der mir Kraft gibt! Der mir Kraft gibt, der mich kräftigt, jeden Tag neu: Das Wort dynamis ist darin enthalten. Von Gott dynamisiert zu werden, davon lebt Paulus. Dazu gehört für ihn auch sein Dank an die Christinnen und Christen in Philippi für die materielle Unterstützung (Philipper 4,10). Teil der dynamis ist, dass sie ihn materiell unterstützen und er diese Gabe annimmt. Er ist durch den Glauben in Beziehungen eingebettet, die ihn auch in schwierigen Zeiten tragen. Geistiges und Materielles gehören hier unteilbar zusammen. Gleichzeitig betont Paulus, dass er sowohl Überfluss als auch Mangel kennt und in allen Lagen unabhängig bleibt. Denn da ist der, der ihm die Kraft zum Einen wie zum Anderen gibt. Alles vermag ich durch ihn, der mir Kraft gibt! Das ist der Grund auf dem Christinnen und Christen leben. Das ist die Basis unseres Handelns. Am 26. April haben wir den neuen Kirchenvorstand gewählt. Ein Dank an alle, die sich an der Wahl beteiligten. Ein Dank auch allen, die die letzten Jahre die Gemeinde geleitet haben und dies in Zukunft tun werden. Dieser Monatsspruch möge allen, die sich engagieren, Kraft und Halt geben! Alles vermag ich durch ihn, der mir Kraft gibt! Wir alle brauchen auch heute noch Monatssprüche. Denn wir brauchen Kraft, um menschenverachtendes Handeln zu durchschauen und in menschenachtendes Handeln zu verwandeln. "Vielleicht heißt an Gott glauben, von sich absehen können, von der eigenen Kraftlosigkeit, von dem eigenen kleinen Mut und der Geringheit unserer Erfolge. Das Reich Gottes ist auf unserer Arbeit angewiesen, aber es steht und fällt nicht mit ihr. An Gott glauben heißt, sich nicht definiert zu sehen durch die eigene Schwäche. Es heißt, sich selbst ernst zu nehmen und zu würdigen ... . Auf Gott hoffen heißt aber auch, auf mehr zu hoffen als auf die eigenen Kräfte." (Fulbert Steffensky) Ein gesegnetes Pfingsten wünscht Ihnen und Euch Ihre Pfarrerin Gisela Egler-Köksal Andacht zum Monatsspruch April Wahrlich, dieser ist Gottes Sohn gewesen! (Mt 27,54) Als Jesus verschied, riefen die römischen Soldaten, die angeführt von ihrem Hauptmann das grausame Urteil des Pilatus in die Tat umsetzen mussten, entsetzt und erschrocken: „Wahrlich, dieser ist Gottes Sohn gewesen.“ Diese Männer und alle Menschen, die um das Kreuz herumstanden, hatten eine kosmische Umwälzung erlebt, die Erde erbebte und die Felsen zerrissen und sie standen mitten drin! Und sie stimmten überein mit Pilatus, der unter das Kreuz schreiben ließ: INRI – Jesus, der Gesalbte, König der Juden. In der Karfreitags- und Ostergeschichte des Matthäus kommen viele verschiedene religiöse Traditionen zusammen. Mit ihrer Hilfe versuchten die Menschen im 1. und 2. Jahrhundert das überwältigende Ereignis zu verstehen. Sie lebten in einer Welt, die geprägt war von der Vermischung verschiedener Religionen. Da gab es die Gnosis, die viele Mythen und Heilslehren früherer Religionen miteinander verband. Nach der Erfahrung der Auferstehung setzte sich die zweite Generation der Christen aber ein Stück weit von der Gnosis ab, für sie war die Auferstehung mit Jesus schon geschehen. Stark bestimmend war auch der Einfluss des Hellenismus auf die Christen, besonders in den Städten, denn die wichtigsten Städte des Frühchristentums waren hellenistische Gründungen. Die religiöse Sehnsucht der Menschen im Hellenismus wandte sich neuen Erlösergöttern zu, die mit den Menschen leiden, die sterben und auferstehen. Zentrale religiöse Ausdrücke dieser Religionen finden sich im Christentum wieder, wie Jungfrauengeburt, Auferstehung, Himmelfahrt. Während das Christentum von Menschen der hellenistischen Kultur sofort angenommen wurde, zogen sich die jüdischen Gemeinden von ihm zurück. Aber da das Urchristentum Jesus als Erfüllung der jüdischen Verheißung sieht, kann es das Erbe des Judentums unbedenklich annehmen. Wie oben beschrieben, rechnete man im Judentum mit einer Auferstehung der Toten am Ende der Zeit und wartete dafür auf den Messias. Das war damals auch in anderen Religionen bekannt. Die Welt wartete und rechnete mit einem Menschen als Retter. Jesus ist es, der Auslöser für die Auferstehung der Toten ist. Er löst diesen Vorgang im Augenblick seines Todes aus. So sagt er kurz vor seinem Tod zu einem Mitgekreuzigten: „Heute noch wirst du mit mir im Paradies sein.“ Das heißt, dass Auferstehung, Himmelfahrt und Geistsendung in diesem Augenblick zusammenfallen. Der neue Glaubenszweig, der mit dem Tod Jesu begann, setzt die Ereignisse später auf eine Zeitschiene, weil das Ereignis sonst schwer zu fassen ist. Drei Tage nach der Kreuzigung folgt die Auferstehung: Ostern. 50 Tage später ist Pfingsten angesetzt, die Ausgießung des Geistes Jesu, wobei daran zu erinnern ist, dass die Zahlen 3 und 50 in der jüdischen Tradition heilige Zahlen sind. Der Evangelist Matthäus, der ein jüdischer Schriftgelehrter ist und 80 nach Christus schreibt, macht zu dem Ausruf der römischen Soldaten einen Zusatz, der zunächst fremd für uns ist. Hier haben wir es sicherlich mit einer Quelle zu tun, die aus den jüdischen Geheimlehren der Kabbala oder dem Zohar stammt. Matthäus schreibt: „Und die Grüfte öffneten sich, und viele Leiber der entschlafenen Heiligen wurden auferweckt, und die kamen nach seiner Auferstehung aus den Grüften hervor, gingen in die Heilige Stadt und erschienen vielen.“ (Mt 27, 52f) Was für eine herrliche Vision: Alle heiligen Menschen, die vor Christus lebten, werden in die Auferstehung mit eingebunden, das heißt Christus ist der Retter der gesamten Menschen, der ehemaligen, der heutigen und der kommenden Generationen, über alle Ländergrenzen hinweg und alle Zäune, die wir errichten: Was für ein großartiges Vermächtnis. Dietlind Schmidt-Clever
Andacht zum Monatsspruch März Ist Gott für uns, wer kann wider uns sein? (Römer 8,3) Wie nähere ich mich behutsam einem Monatsspruch, der wie selbstverständlich und ohne Ruf nach Erklärung erscheint? Selbst das Fragezeichen am Ende verändert nicht seinen triumphierenden Tenor. So ist es eben. Und so will uns dieser Vers aus dem Römerbrief in diesem Monat begleiten und erfreuen. Deshalb will ich den Satz auch nicht in seinem Zusammenhang ummanteln oder nach dem Weg fragen, auf dem Paulus zu dieser Zusammenfassung gekommen ist. Den Zugang zum Monatsspruch hat mir Paul Gerhardt mit seinem Lied „Ist Gott für mich, so trete gleich alles wider mich … ." (im Gesangbuch Nr. 351) eröffnet, indem er in seiner Nachdichtung das umfassende, aber auch anonyme „uns" durch „ich / mich" ersetzt hat. Dadurch wird der Vers augenblicklich leiser, vorsichtiger und andächtiger. „Ist Gott für mich, wer kann wieder mich sein?" Das „Ich" durchzieht alle Strophen seines Liedes, von denen die meisten den Monatsspruch interpretieren, indem sie ihn in konkrete Lebenssituationen hineinstellen. Ein Halbsatz aus vier Wörtern führt Gott und mich zusammen – das lässt eher flüstern oder stammeln als siegesgewiss herausrufen. Aber – ob laut oder leise – das eindeutig bekennende „ich“ verleiht dem Satz sein Gewicht im Glauben und eröffnet in der Folge den Blick von mir selbst weg zum anderen Menschen, dem dieselbe „Gott für mich" – Zusage gilt, die er bestaunt. Auf diesem Weg, über das gewagte „ich“, findet man ohne jeden Bruch wieder zum Satz des Paulus und seinem Gemeinschaft stiftenden „uns“ zurück, ohne wieder in Gefahr zu sein, die „wir / uns" – Formulierung als Möglichkeit zur Distanzierung oder Unverbindlichkeit zu verwenden. Vielleicht nehmen Sie sich in diesem Monat das Gesangbuch, den Vers und die Zeit, um dem „Gott für uns“, den Christus Immanuel (übersetzt: „Gott mit uns") in ihrem Leben mit frohen, aber auch dunkeln oder verzweifelten Tagen zu erinnern? Ingo Schumacher Kein Engel, keine Freuden, kein Thron, kein Herrlichkeit Kein Lieben und kein Leiden, kein Angst und Fährlichkeit, was man nur kann erdenken, es sei klein oder groß: der keines soll mich lenken aus deinem Arm und Schoß. (EG 351, 12)
Andacht zum Monatsspruch Februar Ich schäme mich des Evangeliums nicht: Als Paulus dies an die erste Gemeinde in Rom schrieb (Römer 1,16), wurden die Christen wegen ihres Glaubens verlacht. Ein Gott, der sich kreuzigen lässt! Was können wir von so einem Gott erwarten?
Probieren Sie es einmal! Und immer wieder!!!
Paulus entgegnet ihnen: „Ich schäme mich des Evangeliums nicht!“ Die Scham ist Paulus gut bekannt. Wie sie ihn gequält hat, davon berichtet er in seinen Briefen sehr eindrücklich. Jetzt schämt er sich nicht mehr. Das hat er hinter sich. Er ist Jesu begegnet. Er hat seinen Weg geändert. Er ist kein Verfolger der Andersdenkenden mehr, sondern vielmehr Botschafter der Liebe Gottes. Paulus entgegnet ihnen: „Ich schäme mich des Evangeliums nicht!" Die Scham ist Paulus gut bekannt. Wie sie ihn gequält hat, davon berichtet er in seinen Briefen sehr eindrücklich. Jetzt schämt er sich nicht mehr. Das hat er hinter sich. Er ist Jesu begegnet. Er hat seinen Weg geändert. Er ist kein Verfolger der Andersdenkenden mehr, sondern vielmehr Botschafter der Liebe Gottes. Wo wir manchmal verschämt im Bekanntenkreis verschweigen, dass wir uns zur Kirche halten, da erinnert uns Paulus daran, dass Gott keine Scham will. Gott will unseren Glauben, unser Vertrauen. Gottes Ja zu uns zu hören und daraus zu leben, das ist die Kraft, von der Paulus spricht. Das ist die Kraft, die hilft, sich bei Anfragen oder Spott nicht angegriffen zu fühlen. Denn sie schenkt die Erkenntnis, dass wir Ebenbilder Gottes sind. Unsere Würde hat hier ihren Grund. Über unsere Seligkeit entscheidet nicht das Ansehen, das wir von uns selbst oder das andere von uns haben, sondern Gottes Blick auf uns. 1500 Jahre nach Paulus wird für Martin Luther dieser Satz aus dem Römerbrief zum Schlüssel für seinen Glauben. Das Evangelium gab ihm den Mut, Kaiser und Papst zu widerstehen: „Hier stehe ich, ich kann nicht anders. Gott helfe mir. Amen." Solchen Mut brauchen wir als Christen auch heute. Egal in welche Konflikte wir uns auch einmischen! Und einmischen sollen wir uns, wenn es um Krieg und Frieden, um Folter, um Armut und um Flüchtlingsschicksale geht. Unsere Welt braucht Menschen, die mit der Nächstenliebe konkret ernst machen und sich an den Seligpreisungen unerschrocken und mutig orientieren und sich für eine lebenswerte und menschliche Welt und für Lebenschancen für unsere Mitmenschen einsetzen. Ich schäme mich des Evangeliums nicht: Es ist eine Kraft Gottes, die jeden rettet, der glaubt. Sprechen Sie einmal vor dem Spiegel diesen Satz laut und mit Nachdruck vor sich hin. Ich bin überzeugt, dass Sie im Rücken dabei schon etwas von der Kraft spüren, die Gott jeder und jedem von uns schenken will! Claus Ludwig Dieter
Nehmt einander an wie Christus euch angenommen hat zur Herrlichkeit Gottes. (Römer 15, 7) Die Jahreslosung für 2015 kommt daher wie ein Gutmenschenspruch: „Nehmt doch einander an." Vorsicht. Damit hätte Paulus dann nur eine mitmenschliche Forderung, ein erstes Gebot globalgültiger Menschenrechte erhoben. Allerdings haben die Herausgeber der Jahreslosung sein die Argumentation einleitendes „darum" nicht mitzitiert. Das weggelassene „darum" droht den Ernst und die Schwere des Paulusworts zu verharmlosen, weil es die Verbundenheit der menschlichen Ebene mit der von Christus und Gott nicht zwingend folgernd benennt. Paulus schreibt: „Darum“ nehmt einander an, wie Christus euch angenommen hat, zur Herrlichkeit Gottes." Das „Darum" verweist darauf, worum es hier geht: die gegenseitige Annahme zur Herrlichkeit Gottes. Luther übersetzt zu „Gottes Lob", Wilkens: „zum Preise Gottes". Auf dieses „zur Herrlichkeit Gottes" zielt, erstens, dass Christus uns angenommen hat, und zweitens, dass wir einander annehmen können. Damit hat Christus auch das Schwerste an uns zu Ertragende mit angenommen – unsere Entfremdung und Gottes-vergessenheit. Christus hat uns glauben gemacht, dass hinter jedem von Gier und Hass verzerrten Gesicht das Antlitz eines Gotteskindes steckt. Zu fragen ist: wie kann solche Verzerrung aufgehoben werden? Eine Antwort gibt die Jahreslosung 2015: „Darum nehmt einander an, wie Christus euch angenommen hat. Durch solche Annahme wird die Herrlichkeit Gottes erkennbar." Einander annehmen hat mit Gastfreundschaft zu tun, nicht mit „deutscher" Gastfreundschaft, sondern mit orientalischer: „Lass es dir gefallen, mein Gast zu sein." „Mir gereicht es zur Ehre, wenn du mein Gast sein willst." Es preist Gott, wenn ihr einander annehmt, wie auch Christus euch angenommen hat. In unserer gegenseitigen Annahme kommt die Herrlichkeit Gottes zum Leuchten – eben wenn es die gelingt, die Krummigkeiten am anderen und vergessene Mitmenschlichkeit durch gegenseitige Annahme aufzuheben. Pfarrer Dr. Ingo Roer |