Fastenpredigt 2010

Der ÖZ-Gottesdienst am 28.2. 2010 stand unter dem Thema "Passionszeit, Fastenzeit, Stille Zeit". Die Predigt hielt der Priester der Serbisch Orthodoxen Gemeinde Stojan Barjaktarevic. Wir drucken sie mit seinem Einverständnis gekürzt ab.

    Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes
    Liebe Brüder und Schwestern
"Hat das Fasten einen Sinn?" und "Was erreicht der Mensch durch das Fasten?" Das sind Fragen, die man nicht erst seit gestern stellt. Diese Fragen stellen sich die Menschen seit Jahrhunderten. Aus dem heute vorgelesenen biblischen Text wird deutlich, dass der Prophet Jesaja die heimliche Frage, die die Menschen Gott stellen: "Warum fasten wir, und du siehst es nicht an? Warum tun wir unserm Leibe wehe, und du willst es nicht wissen?" (58,3), laut und deutlich beantwortet: "Das ist ein Fasten, an dem ich Gefallen habe: Lass los, die du mit Unrecht gebunden hast; lass ledig, auf die du das Joch gelegt hast! Gib frei, die du bedrückst; reiß weg allerlei Last." (58,6) Der Prophet Jesaja zeigt deutlich, dass das Fasten nicht als ein Mittel zum Quälen des Leibes eingerichtet wurde, sondern als ein Mittel, das uns in den früheren Einklang mit Gott bringen soll, welchen Adam genoss, bevor er gegen das Gebot des Fastens verstoßen hat. Wenn dieser Einklang hergestellt wird, "dann wirst du rufen, so wird dir der Herr antworten; wenn du schreist, wird er sagen: Siehe, hier bin ich!" (58,9).
Viele werden fragen: Wann hat Adam überhaupt ein Gebot des Fastens empfangen? Dieses Gebot können wir nicht lesen, gleichwohl können wir es in der Bibel erkennen. Wir haben schon gesagt, dass das Fasten kein Mittel ist, mit dem man seinen Leib quälen muss. Wenn wir das Fasten als eine Disziplin der Enthaltung annehmen und als eine Grenze, die der Mensch nicht überschreiten dürfte, dann empfängt Adam mit dem Gebot Gottes, von jedem Baum essen zu dürfen außer vom Baum der Erkenntnis von Gut und Böse, eigentlich ein Gebot des Fastens. Ein Gebot der Enthaltung. Nicht, um seinen Leib zu quälen, sondern um das Bewusstsein zu erhalten, dass über ihm, als dem Herrn der Welt, jemand ist, der ihn auf diesen Thron gesetzt hat.
Der Sinn liegt also darin, dass der Mensch durch die Enthaltung begreift, dass er nicht durch sein eigenes Verdienst zum Herrn der gesamten Schöpfung auf Erden geworden ist, sondern dass diese Stellung ihm vom Schöpfer anvertraut worden ist. Das war in der Tat eine Arznei gegen die schwerste Krankheit, zu der der Mensch neigt - gegen den Hochmut.
Durch die Erkenntnis des Menschen, dass er sich wegen fehlender Enthaltsamkeit und aus Hochmut vom Angesicht Gottes entfernt hat, versucht er nun, durch Fasten als Enthaltung von seinen leiblichen Gelüsten wieder in den Einklang mit Gott zurückzukehren. Durch das Fasten versucht der Mensch seit Jahrhunderten, wieder Frieden mit Gott zu schließen. Daher finden wir das Fasten nicht nur beim jüdischen Volk oder unter den Christen, sondern wir finden es in allen Religionen und Kulturen. Natürlich hat das Fasten in jeder Kultur eine eigene Form, aber der Sinn ist gleich: Fasten als Mittel der Friedenschließung mit Gott (…)
Ich denke, das Problem, das heutige Christen damit haben, liegt nicht nur in der Form - wie man fasten soll - sondern das Problem trifft das Wesen der Sache: Sollen wir überhaupt fasten und was erreichen wir dadurch? Das Fasten ist zu so einem großen Stein des Anstoßes geworden, dass manche Christen versuchen, mit Hilfe der Heiligen Schrift selbst die Notwendigkeit des Fastens in Frage zu stellen. (…)
Die Heilige Schrift spricht aber nicht gegen das Fasten, sie spricht vielmehr über die Notwendigkeit und Wichtigkeit des Fastens. Es gibt viele Beispiele des Fastens in der Heiligen Schrift. Denken wir an das Leben des heiligen Johannes, des Täufers, in der Wüste. Hat nicht auch Christus selbst vierzig Tage lang gefastet? Gefastet hat auch die Prophetin Anna, die Tochter Phanuels, im Tempel von Jerusalem (Lk 2,37). Der Apostel Paulus rät den Korinthern, "als die Diener  Gottes" zu fasten (1. Kor. 7,5; 2. Kor. 6, 3-5), auch er selbst hat er sich bemüht "in viel Fasten" (2. Kor. 11,27). (…) Für Christen wäre es viel aufrichtiger, das Fasten wegen der eigenen Unlust zur Enthaltsamkeit in Frage zu stellen, als sich durch die Bibel zu rechtfertigen, die sie geradezu auf das Fasten hinweist. (…)
Um ein Fasten zu erreichen, wie es die Bibel will, sollen wir das leibliche Fasten mit dem Fasten der Seele verbinden. So, wie es der Prophet Jesaja beschreibt und wie uns der Herr Jesus Christus selbst lehrt, wenn er sagt: "Wenn du aber fastest, so salbe dein Haupt und wasche dein Angesicht, auf dass du nicht scheinest vor den Leuten mit deinem Fasten, sondern vor deinem Vater, welcher verborgen ist; und dein Vater, der in das Verborgene sieht, wird dir's vergelten öffentlich" (Mt. 6, 17-18).
Das Fasten hat also ein tiefes Fundament in der Heiligen Schrift und die Pflicht der Christen zu fasten bleibt bestehen. Und die Frage, wann, wie und wie viel man fasten soll, ist schon eine Sache der geistigen Vervollkommnung und der kirchlichen Disziplin.
Christus selbst hat gefastet, Er hat uns gelehrt, wie wir fasten sollen und uns versprochen, dass der Vater, der in das Verborgene sieht, uns es öffentlich vergelten wird. Wir als Christen sollen Ihm als dem Weg, der Wahrheit und dem Leben folgen.
Das Gesagte soll denen genügen, die Ohren haben und soll verständlich genug sein denen, die Verstand haben.